Schneegestöber (German Edition)
noch selten drei so hübsche Damen in einem Raum gesehen. Silvie in ihrem dottergelben Kleid, die Wangen zart gerötet, ein Anblick vollkommenen Liebreizes. Daneben Kitty, deren dunkle Locken bei jeder Bewegung wippten, die dunklen Augen mit einem strahlenden Lächeln in die Runde gerichtet.
Paulina hatte sich an die Seite ihrer Eltern gestellt und wirkte in ihrem blütenweißen Kleid zart und zerbrechlich. Eine doppelreihige Perlenketteschmückte ihren Schwanenhals, die blonden Locken kringelten sich vorwitzig im Nacken. Sie war vielleicht die makelloseste Schönheit von den dreien. Und doch: Sie hatte ihren Reiz auf ihn völlig eingebüßt.
Endlich ging die Tür auf. St. James fuhr mit einem Ruck herum. Hatte er eben noch gedacht, die drei schönsten Damen seien bereits im Raum versammelt? Ohne zu zögern verwarf er diese Überlegung auf der Stelle, denn im Türrahmen stand Mary Ann. Aber nicht die Mary Ann, die ihm bekannt und vertraut war. Nein, eine rothaarige Schönheit in einem mitternachtsblauen Abendkleid. Die langen, kupferroten Locken waren nur mit einem Band aus demselben Blau aus der Stirn gehalten und fielen in weichem Schwall über ihre makellosen Schultern. War dieses reizvolle Wesen wirklich Mary Ann? Die vertraute Gefährtin, die kluge Gesprächspartnerin, die Frau, mit der er ungezwungen lachen und so verbissen streiten konnte? Es war ihm, als sehe er sie plötzlich mit ganz anderen Augen.
Mary Ann hatte diesen bewundernden Blick sofort bemerkt. Genauso hatte sie sich die Wirkung ihres Kleides damals ausgemalt, als sie den Ball von Mrs. Nestlewood besuchte. Der Ball von Mrs. Nestlewood, wie lange war das schon her! Damals war es Reverend Westbourne gewesen, den sie in Entzücken versetzen wollte. Und nun war es ihr unerwartet bei einem anderen Mann gelungen. Um wie vieles lieber war es ihr, diesem Mann zu gefallen, als Bernard Westbourne. Ihr Herz klopfte bis zum Halse, als sie St. James auf sich zukommen sah.
»Ich bitte zu Tisch«, hörte sie die Stimme des Viscounts wie von weiter Ferne her sagen. St. James bot ihr seinen Arm. Mary Ann fühlte sich seltsam befangen. So hatte sie sich in seiner Gegenwart noch nie gefühlt. Und auch ihm schien das Sprechen schwerzufallen. Doch es war nicht nötig, daß sie sprachen.
Die Unterhaltung bei Tisch wurde, wie so oft, nahezu alleine von Mrs. Aldwin bestritten. Sie hatte das Gespräch wieder aufgenommen, das Mr. Finch vor geraumer Zeit durch seine strenge Bemerkung kurz unterbrochen hatte. Sie sprach über frühere Weihnachtsfeste, schmiedete Pläne für den Christtag und fügte mit kaum verhohlener Freude hinzu, wie schade es sei, daß Viscount Lornerly und seineGemahlin die Gesellschaft schon vor diesem Ereignis verlassen wollten.
»Aber Sie werden doch noch hier sein, Eure Lordschaft?« wandte sie sich mit einschmeichelndem Lächeln an St. James. Die Freundlichkeit, die sie ihm nunmehr zuteil werden ließ, unterschied sich deutlich von der kühlen Haltung, mit der sie ihm bisher begegnet war. »Paulina ist bereits außer sich vor Vorfreude, mit Ihnen das Weihnachtsfest verbringen zu dürfen, Mylord. Sie hat einige ganz besonders reizende Lieder einstudiert. Und es ist ihr eine besondere Freude, sie Ihnen vorzutragen.«
St. James fiel es schwer, den Blick von Mary Ann zu wenden, die ihm bei Tisch gegenübersaß. Doch nun wandte er sich Mrs. Aldwin zu und sagte in nicht gerade freundlichem Tonfall: »Es tut mir unendlich leid, Ihre Tochter enttäuschen zu müssen. Doch auch ich muß abreisen, sobald es die Wetterverhältnisse zulassen. Wir haben die Gastfreundschaft von Viscount Bakerfield bereits über Gebühr in Anspruch genommen.«
Diesen Einwand konnten weder Paulina noch ihre Mutter unwidersprochen hinnehmen. Die nächsten Minuten vergingen damit, daß beide versuchten, den Earl mit allerlei Schmeicheleien dazu zu bringen, ihnen das Versprechen zu geben, er werde mit ihnen Weihnachten auf Bakerfield-upon-Cliffs verleben.
»Nun sag doch auch etwas, Onkel Robert«, wurde Viscount Bakerfield von seiner Nichte aufgefordert. »Bitte, lieber Onkel. Dir wird es gelingen, Seine Lordschaft davon zu überzeugen, daß er einfach noch nicht abreisen darf!«
Mr. Shedwell und Frank hatten in der Zwischenzeit den Tisch abgeräumt und Portweingläser für die Herren aufgedeckt. Es war auf Bakerfield-upon-Cliffs nicht üblich, daß sich die Damen nach Tisch zurückzogen, um die Herren in Ruhe ihrem Portwein zu überlassen.
St. James unterbrach brüsk die
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