Schneegestöber (German Edition)
gewandt.
»Natürlich, das ist doclv das ist doch…«, Mary Ann stand auf und blickte etwas verlegen zu Seiner Lordschaft hinüber. Die grauen Augen, die sie fragend anblickten, setzten sie in arge Verlegenheit. »Das ist Kitty, meine Assistentin«, erklärte sie schließlich rasch. »Sie müssen entschuldigen, Mylord. Sie fühlte sich den ganzen Tag nicht wohl.«
Higson erschien im Türspalt: »Sie haben geläutet, Mylord?«
»Natürlich habe ich das«, entgegnete Seine Lordschaft. »Higson, bitte schaffen Sie dieses Mädchen aus der Bibliothek. Ich hasse den Anblick ohnmächtiger Frauen.« Er machte eine Handbewegung, als wolle er eine Schar Hühner vertreiben. »Ambesten, Sie sagen im Stall Bescheid, daß man die Damen zu ihrer Unterkunft bringt…«
»Vielen Dank«, unterbrach ihn Mary Ann schnell. »Aber das ist wirklich nicht nötig. Unsere Kutsche wartet vor der Tür.«
Seine Lordschaft nickte. »Um so besser. Wir sehen uns also morgen. Ich erwarte Sie um Punkt neun Uhr. Wenn es Ihrer Assistentin bis dahin nicht bessergeht, lassen Sie sie zu Hause.«
Higson hatte einen Lakaien herbeigewunken, der ihm nun half, die ohnmächtige Kitty vorsichtig aus der Bibliothek zu tragen. Mary Ann wollte eben folgen, als ihr die unbezahlte Hotelrechnung schlagartig ins Bewußtsein zurückkehrte. Sie blieb stehen und holte tief Luft. Wenn schon, denn schon, dachte sie. »Die zweihundert Pfund, die wir vereinbart haben, Mylord. Wenn ich bitten dürfte«, forderte sie mit klopfendem Herzen. Seine Lordschaft schien gegen diesen Wunsch nichts einzuwenden zu haben. Ohne zu zögern ging er zu seinem Schreibtisch hinüber, öffnete eine Lade und entnahm ihr eine schwere Eisenkassette. Mit raschen Griffen zählte er die Scheine vor ihr auf den Tisch. Mary Ann griff danach und verstaute das Geld hastig in ihrem Retikül. Als sie sich nicht gleich umwandte, zog St. James fragend eine Augenbraue hoch: »Noch etwas, womit ich Ihnen dienen kann, Miss Mary Ann?« erkundigte er sich spöttisch.
»Da ist tatsächlich noch etwas…«, sagte diese langsam. In Gedanken mußte sie lächeln. Die Idee, die ihr eben gekommen war, war geradezu genial. Ob wohl Seine Lordschaft ihr diesen Wunsch erfüllte? »Es ist üblich«, begann sie, »daß ich für mein Büro eine Bestätigung bekomme.« Wie hieß nur der Detektiv? Goldstein? Goldberg? Zu dumm, daß ihr der Name nicht mehr einfiel. »Mein… mein Dienstgeber verlangt so eine kurze Bestätigung, verstehen Sie?«
Seine Lordschaft setzte sich kommentarlos auf seinem Schreibtischstuhl nieder und griff zur Feder.
»Nichts Langes«, beeilte sich Mary Ann zu versichern. »Es genügt, wenn Sie schreiben, daß Sie sich mit Kitty, Kitty ist meine Assistentin, wissen Sie, also, daß Sie sich mit Kitty und mir geeinigt haben. Und bitte fügen Sie auch hinzu, daß wir gemeinsam aufs Land fahren. Es ist nicht nötig, daß Sie angeben, wohin wir reisen.«
Seine Lordschaft tauchte die Feder ins Tintenfaß. »Das reicht?« wollte er wissen, während er die gewünschten Worte schwungvoll zu Papier brachte.
»Nur noch Ihre Unterschrift. Vielen Dank, Mylord.« Sie knickste »Bis morgen, Mylord.« Sie hatte ihm lächelnd ihre Hand zum Gruße hingestreckt und wollte sie eben erschrocken zurückziehen. Wie hatte sie bloß vergessen können, sich wie eine Bürgerliche zu benehmen? Überraschung spiegelte sich in den grauen Augen Seiner Lordschaft.
»Bis morgen, Miss Mary Ann«, sagte er, als er sich aus seinem Stuhl erhob, um ihren Gruß zu erwidern.
»Der Wagen wartet, Miss«, verkündete Higson von der Tür her.
Mary Ann knickste abermals und verließ hastig den Raum.
Man hatte Kitty auf die Rückbank der Kutsche gelegt und mit einer warmen Decke fürsorglich zugedeckt. Al saß regungslos auf dem Kutschbock. Er hatte die voluminöse Mütze tief in die Stirn gezogen und starrte dumpf vor sich auf den Boden. Higson half Mary Ann in das Fahrzeug und schloß mit weit ausholender Geste den Schlag.
»Abfahrt, junger Mann«, befahl der dem Kutscher, und Al ließ die Peitsche knallen.
XII.
Langsam kam Kitty wieder zu sich. Al hatte sie auf seinen Armen in ihr Zimmer hinaufgetragen und sie behutsam aufs Bett gleiten lassen. Nun saß er neben ihr auf der Bettkante und kühlte ihre Stirn mit einem kalten, feuchten Tuch.
»Was hat der Kerl mit ihr gemacht?« erkundigte er sich ungehalten.
Mary Ann war gedankenversunken im Zimmer auf und ab gegangen. Nun blieb sie stehen und hob ratlos die Arme. »Nichts. Ich
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