Schneegestöber (German Edition)
darüber sein und die Insel nicht mutwillig verlassen. Allerdings, das, was ich jetzt von dir gehört habe, erscheint mir noch bei weitem seltsamer. Wie sagtest du, kam Mary Ann auf die Landstraße?«
»Sie war auf dem Weg nach Bath, als ihre Kutsche in den Straßengraben stürzte. Ich habe ihr geholfen, und da hat sie mich zum Dank eingestellt«, erklärte Al. Er hoffte, sein Freund würde sich mit dieser Kurzfassung der tatsächlichen Ereignisse zufriedengeben.
»Und dann hast du Kitty kennengelernt«, setzte der Earl fort.
Al nickte: »So ist es.«
»Und wegen dieser kleinen schwarzhaarigen Person hättest du mich heute beinahe erwürgt«, kam der Earl wieder zum Beginn ihrer Unterredung zurück. Dieser Abend hielt wirklich einige Absonderlichkeiten für ihn bereit.
Al nickte abermals: »Richtig. Und ich werde dich tatsächlich erwürgen, wenn du sie noch einmal als Person bezeichnest. Kitty ist eine reizende, vornehme, liebenswerte, anbetungswürdige junge Dame.«
Der Earl hob überrascht eine Augenbraue: »Ach, tatsächlich?« fragte er skeptisch. »Dich scheint es ja schlimm erwischt zu haben. Weiß sie, was du für sie empfindest?«
Al schüttelte den Kopf. »Wie sollte sie denn?« stieß er bitter hervor. »Zur Zeit hat sie ja nur Augen für den großen Earl of St. James, der ihr schamlos den Hof macht.«
Der so Gerügte schnappte empört nach Luft: »Ich mache ihr doch nicht den Hof. Ein kleiner Flirt, weiter nichts…«, versuchte er sich zu verteidigen.
»…den du in Hinkunft unterlassen wirst«, forderte der Viscount streng.
»Den ich in Hinkunft unterlassen werde«, wiederholte der Earl gehorsam.
Al nickte und gähnte ausgiebig. »Sehr gut«, murmelte er zufrieden und lehnte seinen Kopf gegen die Ohrenlehne des Sessels. »Du hast doch nichts dagegen, wenn ich heute nacht hier schlafe? Das Quartier, das man mir zugewiesen hat, liegt neben dem Pferdestall. Und dort ist es verdammt kalt.« Der Earl erhob sich wortlos und schob ihm einen Hocker unter die Beine. »Und du glaubst nicht, daß Mr. Cox etwas dagegen hat, wenn du eine Detektivin als Geliebte mit nach Hause bringst?« erkundigte er sich. Er drehte sich um, um eine Decke vom Bett zu nehmen und sie seinem Freund zuzuwerfen.
Al starrte ihn mit großen Augen an: »Geliebte?« wiederholte er. »Ich denke nicht daran, Kitty zu meiner Geliebten zu machen«. Seine Entrüstung hätte nicht größer sein können.
»Ja, was hast du denn mit der Kleinen vor?« erkundigte sich der Earl verwirrt.
»Ich werde sie heiraten«, verkündete Al, als sei dies selbstverständlich.
Der Earl lachte auf: »Wie ehrenhaft, wie überaus ehrenhaft«, rief er in höhnischem Tonfall. Er entschied sich, seinem Freund auch noch eines seiner Kopfkissen zur Verfügung zu stellen. Dann stellte er sich hoch aufgerichtet vor ihm auf und erklärte in spöttischem Ton: »Darf ich dich daran erinnern, was das für Folgen hat, wenn du Miss Kitty tatsächlich heiratest? Dann wirst du dein Erbe am Ende doch noch verlieren. Und alle Strapazen waren umsonst. Mr. Cox wird mit deiner Brautwahl nie und nimmer einverstanden sein.«
Al hatte bereits die Augen geschlossen und die Decke bis zum Kinn hochgezogen. Nun lächelte er mit geschlossenen Lidern: »Deine Sorge um mich ehrt dich«, grinste er, »doch glaube mir, mein Freund: Mr. Cox wird meine Wahl begrüßen. Und meine Eltern werden meine Wahl ebenso begrüßen. Sie werden sich alle freuen, sehr sogar.« Mit einem wonnigen Lächeln kuschelte er sich in die Kissen und schlief ein.
XVII.
Als Kitty am nächsten Morgen geweckt wurde, wußte sie zuerst gar nicht, wo sie war. Betty stand neben ihrem Bett und berührte vorsichtig ihre Schulter: »Sie müssen aufstehen, Miss Kitty. Es ist Zeit für die heiße Schokolade.«
Kitty drehte sich schlaftrunken im Bett um und Wandte dem Hausmädchen den Rücken zu: »Stell die Tasse einfach auf den Nachttisch«, murmelte sie verschlafen.
Betty kicherte: »Aber ich habe doch keine Schokolade für Sie gebracht, Miss Kitty!« rief sie aus. »Aus welch einem Haus kommen Sie denn! Was ich meine, ist, daß es höchste Zeit wird, daß Sie Ihrer Herrin die Schokolade ans Bett bringen. Mrs. Bobington hat auch schon nach Ihnen gefragt. Wir bekommen Gäste heute, Miss Kitty. Da wird jede helfende Hand im Haus gebraucht. Und Sie helfen uns doch, Miss Kitty, nicht wahr?«
Kitty war mit einem Schlag hellwach und setzte sich in ihrem Bett auf: » Que hora es? Wie spät ist es?« fragte sie gähnend
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