Schneegestöber (German Edition)
gefragt!«
»Uhjuijui!« entfuhr es Frank. Er grinste und klopfte Al mit seiner mächtigen Pranke so fest auf den Rücken, daß dieser sich fast am Haferschleim verschluckt hätte. »Da hast du aber was Nettes an deiner Seite. Potzblitz aber auch! Nicht, daß du mir diesen Tonfall lernst, Betty. Sonst gibt’s gleich eine hinter die Löffel.«
Betty, die still am Herd gestanden hatte und nun warme Milch in die bereitgestellten Tassen goß, errötete zutiefst. Sie schlug die Augen nieder und sagte kein Wort.
»Schluß jetzt. Ich dulde keinen Streit in meiner Küche!« verkündete Mrs. Bobington streng. »Und nun rücken Sie ein Stück, Mr. Brown. Das Mädchen da ist zwar spindeldünn, aber es braucht auch seinen Platz. Und dann beeil dich mit dem Frühstück. Wir haben keine Zeit zu vertrödeln. Auf uns wartet ein Haufen Arbeit.«
Kitty schob trotzig den Unterkiefer vor und setzte sich wortlos auf die Küchenbank. Al hatte ihr bereitwillig Platz gemacht.
Frank hatte seine Portion bereits fertiggelöffelt und stand nun auf und griff nach dem Eisenkorb, der neben der Tür stand: »Ich geh dann jetzt Feuer machen«, verkündete er. »Wenn du fertig bist, Al, kannst du ja mal alle Pferde versorgen.« Er warf dem anderen Diener einen raschen Blick zu, um sich zu vergewissern, daß dieser nickte. Dabei fiel sein Blick auf Kitty, die lustlos auf ihr Frühstück starrte. So eine Dienerin hatte er wirklich noch nie gesehen. Es schien, als würde sein neuer Kollege Zuspruch brauchen: »Laß dich nicht von der unterkriegen!« rief er mit breitem Grinsen. Dann hob er die Hand zum Gruß und schritt aus der Küche. Krachend fiel die Tür hinter ihm ins Schloß.
Kitty wandte sich verstohlen dem Mann an ihrer Seite zu. Ein spöttisches Blinzeln beantwortete diesen Blick. Kitty sah es und folgte ihrem ersten Impuls. Sie stieg Al unter dem Tisch mit voller Wucht auf die Zehen. Hatte sie gehofft, sie könnte ihn mit ihrer Geste in die Schranken weisen, so hatte sie sich geirrt. Seine Reaktion kam völlig unerwartet: Blitzschnell beugte er sich vor und gab ihr einen kleinen Kuß auf die Wange. »Ich liebe dich«, murmelte er kaum hörbar in ihr Ohr. So leise, daß sie meinte, sich verhört zu haben. »Also, ich mach mich dann wohl mal an die Arbeit«, verkündete er laut in breitestem Dialekt. Kitty vergaß ganz, ihr Gesicht vor Abscheu zu verziehen.
Es war, als hätte ein Sturm all ihre Gedanken durcheinandergewirbelt. Mrs. Bobington wischte sich ihre Hände an der weißen Schürze ab und nickte wohlwollend: »Tun Sie das, mein Junge. Und ihr Mädchen, auf, auf. Betty, du kümmerst dich um die Gästezimmer. Und du, Miss Kitty, du bringst die Schokolade und heißes Wasser zu deiner Herrin.«
Der Vormittag, das Mittagessen, der frühe Nachmittag – alles verlief ereignislos. Weder St. James noch Mary Ann, die sich mit dem Hausherrn im Salon aufhielten, noch Kitty und Al in der Küche und im Stall waren in ihren Bemühungen, Miss Westbourne zu finden, auch nur einen Schritt weitergekommen. Das einzige Verdächtige war, daß niemand über die verschwundene junge Dame sprechen wollte. Immer dann, wenn irgendeiner der vier versuchte, die Rede auf sie zu bringen, lenkte sein Gesprächspartner das Thema unbarmherzig in eine andere Richtung.
Und Kitty bemühte sich auch, Barbara, das Mädchen, das sie am Vorabend begrüßt hatte, wiederzufinden. Sie beschloß, sich direkt an die Haushälterin zu wenden. Mrs. Bobington schüttelte mißbilligend den Kopf und erklärte laut und bestimmt, daß es keine Barbara auf Bakerfield-upon-Cliffs gebe und auch noch nie gegeben habe. Und auch Betty versicherte mehrmals, daß sich bestimmt kein Kind im Haus aufhalte. Wenn es eines gäbe, würde sie es kennen. Kitty biß ärgerlich die Zähne aufeinander. Sie war doch nicht dumm. Sie konnte sich das Gespräch mit dem Mädchen doch nicht eingebildet haben. Diese Barbara war da, sie war Realität. Den Gedanken, daß es sich bei dem Kind um ein Gespenst handeln könnte, verwarf sie nach kurzer Überlegung. Sie wußte zwar nicht, wie Gespenster aussahen, jedoch war sie sich sicher, daß diese nicht in Kindergestalt auftraten. Ob es vielleicht zwischen der verschwundenen Barbara und der verschwundenen Silvie einen Zusammenhang gab? Es war so mysteriös. Noch mysteriöser war Als Verhalten. Was hatte er damit gemeint, er würde sie lieben? Wollte er sie auf den Arm nehmen? Kitty wunderte sich, wie stark ihr Herz klopfte bei diesen Überlegungen. Meinte er es
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