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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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mit Freuden. Endlich schien sich sein Aufenthalt in Bakerfield-upon-Cliffs doch noch zu lohnen. Kurz darauf zogen sich alle in ihre Zimmer zurück, um sich für das Abendessen umzukleiden.
    Es war offensichtlich, daß der Viscount diese Zeit genützt hatte, um mit seinen Verwandten ein vertrauliches Gespräch zu führen. Jedenfalls wurde beim Dinner der Name Silvie nicht mehr erwähnt.
    Statt dessen plauderten der Viscount und Mrs. Aldwin über belanglose Themen oder ließen Erlebnisse aus der Vergangenheit Revue passieren. Mr. Aldwin warf ab und zu eine launige Bemerkung ein, berichtete von seinen Gütern in Irland und von den Nachrichten, die sein Bruder, der in Frankreich stationiert war, ihm erst kürzlich hatte zukommen lassen. Mr. Finch, der neben Mary Ann saß, langweilte diese mit Bibelzitaten über die Wichtigkeit guter Verwandtschaftsbeziehungen, und St. James begnügte sich damit, Miss Aldwin, die ihm direkt gegenübersaß, aufreizende Blicke zuzuwerfen. Er bemerkte, daß er das Mädchen verwirrte, und das gefiel ihm. Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück und lächelte zufrieden. Mary Ann, die diesen Blick zufällig aufgefangen hatte, konnte es nicht glauben. Gerade noch hatte er erklärt, Lady Silvie heiraten zu wollen, ob sie wollte oder nicht. Und nun wandte er sich dem nächstbesten Frauenrock zu, der ihm über den Weg lief. Und dieser selbstgefällige Blick. Sie hatte gute Lust, seine ruhige Arroganz zu erschüttern.
    Der Viscount war es gewohnt, sich nach dem Essen umgehend zurückzuziehen. Doch heute machte er zu Ehren seiner Gäste eine Ausnahme. Er blieb im Salon, um Paulina zuzuhören, die mit glockenheller Stimme einige Balladen zum besten gab. Paulina war nicht nur ein erfreulicher Anblick, auch ihre Stimme konnte sich hören lassen. Mit welcher Hingabe sie sang, mit welchem Ausdruck auf ihrem kleinen Gesicht. Sie hatte eben ihr drittes Lied beendet, und ihre Zuhörer sparten nicht mit wohlwollendem Beifall.
    »Nun sind aber Sie an der Reihe, Miss Rivingston. Was werden Sie zu unserer Erbauung zum besten geben?« erkundigte sich Mrs. Aldwin.
    Mary Ann erbleichte. Wenn sie eines wirklich nicht konnte, dann war das singen.
    Doch das wollte Mylady nicht gelten lassen: »Lassen Sie sich doch nicht so bitten, Miss Rivingston. Ich verabscheue junge Mädchen, die sich zieren.«
    »Sicher sind Sie zu bescheiden, liebe Miss Rivingston«, meinte Mr. Aldwin und schenkte Mary Ann ein aufmunterndes Lächeln.
    »Jede Lady kann singen«, erklärte Paulina bestimmt.
    »Meine Schwester hat eine ganze Reihe anderer Talente«, fühlte sich St. James verpflichtet, Mary Ann zu verteidigen. Es war ja wirklich zu dumm, daß sie nicht daran gedacht hatte, ein kleines Liedchen zu lernen. Wenn man schon vorgab, eine Dame zu sein, dann durfte man sich keine Blöße gestatten. Als die anderen merkten, daß Mary Ann bei ihrer Weigerung, einen Gesang zum besten zu geben, blieb, beschloß Viscount Bakerfield, sich nun doch zurückzuziehen.
    Der Kaplan, der bereits in seinem Sessel eingenickt war, schreckte hoch. Er erhob sich rasch und fuhr seinen Gastgeber aus dem Zimmer. Mr. Aldwin setzte sich, seine Pfeife rauchend, neben den Kamin und griff nach der Zeitung. Mrs. Aldwin an seiner Seite begann nachlässig in einer Ausgabe von La belle Assemblee zu blättern, die sie mitgebracht hatte. Von Zeit zu Zeit gab sie Ausrufe des Entzückens oder des Abscheus von sich und verkündete, daß es höchste Zeit sei, daß sie wieder einmal in die Hauptstadt käme. Ihre Garderobe brauchte dringend eine Auffrischung. Glücklicherweise würde sie nicht mehr lange darauf warten müssen, bis sie sich endlich in die Hände einer französischen Schneiderin begeben könnte, von denen viele in London neue Läden eröffnet hatten. Paulina würde in der nächsten Saison ihr Debüt geben. Sie schwelgte in den Gedanken, wie es wohl sein würde, wenn ihre hübsche Tochter die Herzen aller heiratsfähigen Männer Londons im Sturm eroberte. Wie aufregend würden die Bälle sein, die Redouten, die… ach, sie könne ja schon fast nicht mehr schlafen vor Aufregung. Sicher würde ein Herzog um die Hand ihrer Tochter anhalten. Oder zumindest ein Earl. St. Jamesund Paulina saßen in der Zwischenzeit einmütig auf dem kleinen Sofa und unterhielten sich. Um genau zu sein, war es der Earl, der mit gedämpfter Stimme sprach, und Paulina hörte ihm andächtig zu. Mary Ann konnte diese Idylle nicht mehr länger mitansehen. Sie entschuldigte sich und eilte auf

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