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Schneegestöber (German Edition)

Schneegestöber (German Edition)

Titel: Schneegestöber (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sophia Farago
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ihm vor. »Du hast mir doch versprochen, diesen Unsinn über eine Dame von Stand und eine Frau aus demVolke nicht wieder zu erwähnen. So schnell vergißt du deine Versprechen?«
    Der Earl lächelte reumütig. Doch was immer er erwidern wollte, es blieb ungesagt. Die Flügeltür hatte sich geöffnet, und der Kaplan war eben dabei, Viscount Bakerfield über die Schwelle zu schieben. Der Hausherr sah St. James vor dem Kamin stehen und wies mit seiner zittrigen, von blauen Adern durchzogenen Hand auf den Fauteuil neben dem Feuer: »Behalten Sie ruhig Platz, Rivingston«, forderte er ihn mit jovialem Lächeln auf. »Ich dachte, ihr hättet gestritten. Worum ging es, wenn ich fragen darf.«
    Der Kaplan hatte den Rollstuhl zwischen die beiden Lehnstühle gestellt, auf denen die vermeintlichen Geschwister saßen, faltete nun die Hände und richtete seinen Blick gegen die holzverkleidete Zimmerdecke: »Paßt nur auf: Wenn ihr einander wie wilde Tiere beißt und freßt, werdet ihr euch noch alle gegenseitig verschlingen«, erklärte er in mahnendem Tonfall.
    »Der Brief an die Galater, Mr. Finch, ich weiß«, sagte der Hausherr und machte eine beschwichtigende Handbewegung. »Ein schönes Zitat, gewiß, doch nicht eben passend. Oder wart ihr eben dabei, euch wie wilde Tiere zu fressen, Miss Rivingston?« Mit schelmischem Lächeln blickte er von einem zum anderen. Mary Ann griff verlegen zu einem weiteren Keks: »Aber nein, Sir, ganz gewiß nicht«, beeilte sie sich, mit geröteten Wangen zu versichern. »Es war gar kein richtiger Streit. Nur ein Gespräch unter Geschwistern.« Sie warf St. James einen hilfesuchenden Blick zu.
    Dieser verzog seine Mundwinkel zu einem kleinen spöttischen Lächeln. »Ein Gespräch unter Geschwistern, so ist es«, konnte er sich nicht versagen zuzustimmen. »Meine liebe Schwester sagte eben, wie sehr sie es bedauerte, daß wir morgen schon abreisen müssen. Aber sie wolle sich dringend wieder um John und Billy kümmern.«
    Viscount Bakerfield hob fragend eine Augenbraue.
    »Meine Neffen, ich meine: unsere Neffen«, beeilte sich Mary Ann zu erklären, »die Kinder meines Bruders John…«
    »Ja, die lieben Kinder unseres lieben Bruders John«, bestätigte Rivingston herzlich. »Die beiden haben eben ein Holzpferd bekommen,und es scheint, als habe einer von ihnen ständig vor, das gute Stück ins Feuer zu werfen.«
    Mary Ann warf dem Earl einen strafenden Blick zu. Zum Glück hatte der Viscount seine letzten Worte nicht mehr richtig gehört, denn er bemühte sich, seinen Körper im Rollstuhl zur Seite zu drehen, um die Klingelschnur zu erreichen. Der Kaplan, stets eifrig bemüht, seinem Herrn gefällig zu sein, kam ihm zuvor, und die Glocke hallte laut durch den Raum. Fast im selben Augenblick erschien Shedwell, der Butler, und brachte eine Kanne frischen Tee, zwei weitere Tassen und eine Etagere mit frischem Kuchen und Törtchen.
    »Nehmen Sie sich doch ein paar Scones, Kaplan Finch. Sie wissen, die Erdbeermarmelade unserer guten Mrs. Bobington ist unübertroffen. Und dann erst die Clotted Cream, hervorragend!« Er wandte sich an den Pfarrer, der sich nun ebenfalls auf einem Stuhl nahe dem Feuer niedergelassen hatte. Mit steifem Rücken saß er da und nippte an seinem Tee. Ein dankbares Lächeln huschte über seine weichen Lippen, als er den Teller in Empfang nahm, den ihm der Hausherr reichte. Dann begann er damit, eine Anzahl von Kuchen darauf aufzuhäufen.
    »Haben wir es hier nicht gemütlich?« erkundigte sich der Hausherr mit zufriedenem Blick in die Runde. »Wie schön es ist, wie ruhig und friedlich. Und das wollen Sie wirklich schon aufgeben, meine liebe Miss Rivingston? Wie schade, wie ewig schade. Irre ich mich, oder wollten Sie ursprünglich Freunde besuchen. Das sagten Sie doch, als Sie hier ankamen, nicht wahr? Und nun haben Sie es sich anders überlegt und wollen Ihren Bruder besuchen? Wie kommt das?«
    Bevor Mary Ann sich noch eine Ausrede einfallen lassen konnte, meldete sich der Kaplan zu Wort, der mit einer Serviette die Kuchenkrümel vom Mundwinkel tupfte: »Mancher Freund ist anhänglicher als ein Bruder«, zitierte er.
    »Meine Schwester macht sich Sorgen um unsere Neffen«, St. James bemühte sich, das Thema schnellstmöglich wieder zu wechseln. »Natürlich bedauern wir es, nicht länger hierbleiben zu können. Zumal es uns nicht gelungen ist, Miss Westbourne die Grüße ihres Bruders persönlich auszurichten.«
    Ein Köder, scheinbar achdos ausgestreut, und dennoch, der

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