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Schneeköniginnen

Schneeköniginnen

Titel: Schneeköniginnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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räumte
Anne ein. »Aber darum geht’s gar nicht. Irgendwie ist die Luft raus, es fehlt
etwas. Kann sein, daß wir uns schon zu lange kennen. Ich hatte schon seit
Monaten so ein dummes Gefühl... Und als er dann mit der Heirat daherkam, wo er
doch früher so dagegen war, eigentlich paßte das gar nicht ins Bild. Ich denke,
er wollte sich nur einen friedlichen Abgang sichern, damit er wiederkommen
kann, falls es in New York doch nicht so klappt.«
    »Typisch Mann«, nickte Katie grinsend.
»Alles feige Hunde.«
    »Womöglich war es sogar ganz gut, daß
diese blöde Geschichte in New York passiert ist. Vielleicht wollte ich
sogar, daß so etwas passiert. Unbewußt natürlich. Ich weiß inzwischen gar nicht
mehr, ob ich bloß heiraten wollte, weil alle anderen es taten. Wegen der
dauernden Sticheleien. Jedenfalls werde ich mir das alles noch einmal sehr
gründlich überlegen.«
    Katie zog die Stirn kraus. »Mann, da
wird er aber geknickt sein, wenn ihm ein paar Milliönchen Mitgift durch die
Lappen gehen. Das war garantiert der teuerste Fick seines Lebens.«
    »Also, man kann ihm ja so manches
nachsagen«, verteidigte ihn Anne, »aber ein Mitgiftjäger war er garantiert
niemals. Im Gegenteil«, Anne verzog verächtlich den Mund, »vor seinen Freunden
hat er meine Herkunft immer hartnäckig zu verbergen versucht, geradeso als wäre
ich ein hergelaufenes Straßenmädchen... äh, tut mir leid, Katie, so war das
nicht gemeint, ich...« Anne lief signalrot an, aber Katie lachte bloß.
Insgeheim war sie ziemlich stolz, daß Anne ihr das Herz ausschüttete.
    »Hast du ihn denn zwischenzeitlich mal
angerufen?«
    »Nein, fällt mir gar nicht ein.« Das
war ein wenig geschwindelt, denn zweimal hatte sie es unterwegs probiert, aber
er war nie zu Hause gewesen.
    »Wäsche ist fertig.« Katie sprang auf.
»Ich hab’ Hunger.«
    Anne imitierte Katies gewohnte
Ausdrucksweise: »Los, hauen wir ab und ziehen uns ein paar Steaks rein!«
    »Au ja. Und danach einen Indianer.«
     
     
    Sie verließen Flagstaff in lausiger
Morgenkälte, was nur natürlich war, immerhin befanden sie sich auf über
zweitausend Meter Höhe. Das mit der Kälte sollte sich bald ändern, aber noch glitten
sie durch kühle, schattige Wälder so steil bergab, daß die Bremsen zu stinken
anfingen.
    Als sie später durch das Land des
Hualapai-Reservates kamen, fragte Katie: »Was bist du für ein Indianer?«
    »Cherokee«, antwortete Ringo einsilbig
wie meistens, und sie war genauso schlau wie vorher.
    Nach Oatman wich der alte Highway
beängstigend weit von der Interstate ab und wurde extrem schlecht. Die Harleys
bockten wie junge Pferde über die Schlaglöcher, Anne kamen sowohl ihr Frühstück
als auch ein paar unangenehme Erinnerungen hoch. Die einzigen Wesen, die man
während der nächsten Stunden zu Gesicht bekam, waren hin und wieder ein
Stinktier und eine Klapperschlange auf der Fahrbahn, welche diese Bezeichnung
eigentlich nicht mehr verdiente.
    Inmitten der sagenhaftesten Kakteen
überwanden sie endlich den Colorado, der ihnen einen letzten Hauch frischer
Kühle mit auf den Weg nach Kalifornien gab.
    Das hatten sich die Mädchen ganz
anders vorgestellt. Wo bitte waren die Orangen- und Zitronenhaine? Vor ihnen
fieberte im gleißenden Sonnenlicht die absolute Leere der Mojave Desert. Hatten
sich Anne und Katie auf ihrem Trip gelegentlich über die Hitze beschwert, so
erfuhren sie jetzt, daß das alles Peanuts gewesen war. Diese Hitze war
mörderisch. Sie brannte in den Lungenflügeln und stach einem mitten ins Hirn.
    Anne las das Schild der ersten
Ortschaft in dieser unwirklichen Welt: »Needles«. Das paßte. Kein Mensch zeigte
sich auf der Straße, und sie donnerten rasch durch.
    Mit der Zeit wurde die Fahrt ziemlich
eintönig. Wüste, Wüste und kein Ende, nicht mal mehr vernünftige Kakteen. Sie
hielten in einer verlassenen Ortschaft, vielleicht war es auch nur eine
Bahnstation, und leerten gierig ihre Getränkedosen. Neben den Resten eines
Motels entdeckte Katie entzückt eine wilde Ansammlung von Autowracks, die dort
aus dem Dreck wuchs, teilweise schöne alte Kisten aus den Fünfzigern und
Sechzigern, die sich hier ohne zu rosten in der trockenen Luft hielten, wie
mumifizierte Leichen. Friedhöfe für begrabene Träume, Poesie aus Schrott.
    Hohläugige Fenster, vernagelte Türen,
Schilder, die längst keine Gültigkeit mehr hatten, Müll, der kaum verrottete.
Gab es etwas einsameres als so einen aufgelösten Ort? Der Wind trieb eine leere
Cola-Dose

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