Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø

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Mensch ist kein professioneller Pokerspieler”, wandte Harry ein.
    “Sag das nicht”, erwiderte Holzschuh und tätschelte seine Flasche. “Der blufft besser als so mancher Spieler. An dieser Stelle hier stellst du ihm die verabredete Frage, auf die er deiner Meinung nach mit einer Lüge antworten sollte, stimmt’s? “
    Holzschuh drückte auf Play, und Harry sah sich selbst im Fernsehstudio sitzen. Er trug ein etwas zu enges Nadelstreifensakko einer schwedischen Marke. Ein schwarzes T-Shirt, das er einmal von Rakel geschenkt bekommen hatte. Diesel-Jeans und DocMartens-Stiefel. Er saß in einer seltsam unbequemen Haltung, als hätte der Sessel Nägel in der Rückenlehne. Die Frage kam merkwürdig hohl aus den Fernsehlautsprechern: “Bitten Sie sie zur Nachhilfe ins Hotelzimmer?”
    “Nein, ganz sicher nicht”, begann Støp, erstarrte aber, als Holzschuh den Pausenknopf drückte.
    “Und du bist dir sicher, dass er da lügt?”, fragte Holzschuh. “Ja”, bestätigte Harry. “Er hat es wirklich mit dieser Freundin von Rakel getrieben. Frauen geben mit so etwas nicht an. Was siehst du?”
    “Wenn ich Zeit gehabt hätte, mir das auf den PC zu überspielen, hätte ich mir seine Augen vergrößern können, aber das ist eigentlich nicht nötig. Du kannst auch so erkennen, dass sich die Pupillen geweitet haben.” Holzschuh richtete einen Zeigefinger mit abgekautem Nagel auf den Bildschirm. “Das ist eines der bekanntesten Anzeichen für Stress. Fast schon klassisch. Und schau dir seine Nasenflügel an, siehst du, dass die sich auch ein bisschen geweitet haben? Das tun wir, wenn wir unter Stress stehen und das Hirn mehr Sauerstoff verlangt. Aber das bedeutet nicht, dass er lügt, denn man steht häufig unter Stress, auch wenn man die Wahrheit sagt. Und es gibt auch Leute, die überhaupt nicht unter Stress stehen, wenn sie lügen. Zum Beispiel sieht man hier, dass er seine Hände vollkommen ruhig hält.”
    Harry bemerkte die Veränderung in Holzschuhs Stimme: Das Krächzen war verschwunden, und sie klang auf einmal weich und beinahe angenehm. Harry starrte auf Støps Hände, die ruhig in seinem Schoß lagen, die linke über der rechten.
    “Es gibt leider keine sicheren Anzeichen”, dozierte Holzschuh. “Alle Pokerspieler sind verschieden, man muss also auf die Unterschiede achten. Man muss herausfinden, was eine Person anders macht, wenn sie lügt. Das ist wie eine Triangulation. Man braucht zwei feste Anhaltspunkte.”
    “Eine Lüge und eine wahre Antwort. Hört sich einfach an.” “Anhören ist richtig. Nehmen wir mal an, er sagt die Wahrheit, als er über den Beginn seiner Zeitschrift und seine Verachtung für die Politiker spricht. Dann hätten wir damit den zweiten Punkt.” Holzschuh spulte zurück und ließ die DVD dann wieder laufen. “Pass auf.”
    Harry passte auf, sah anscheinend aber nicht, was er sehen sollte. Er schüttelte den Kopf.
    “Seine Hände”, wiederholte Holzschuh, “achte auf seine Hände.”
    Harry starrte auf Srops braune Handrücken, die auf den Armlehnen ruhten.
    “Sie sind noch immer ruhig”, stellte Harry fest.
    “Ja, aber er versteckt sie nicht”, erklärte Holzschuh. “Das kennt man auch von schlechten Pokerspielern: Wenn die miese Karten haben, passen sie besonders gut auf, dass ihnen niemand ins Blatt blickt. Und wenn sie bluffen, halten sie sich oft nachdenklich die Hand vor den Mund, als wollten sie ihren Gesichtsausdruck verbergen. Andere übertreiben den Bluff, indem sie sich im Stuhl aufrichten oder die Schultern nach hinten strecken, um größer zu wirken. Das sind die Bluffer. Støp ist ein Verberger. “
    Harry beugte sich vor. “Hast du … ?”
    “Ja, das habe ich”, nickte Holzschuh. “Und das stimmt für die gesamte Zeit. Er nimmt die Hände von der Armlehne und versteckt die rechte - ich nehme an, er ist Rechtshänder -, wenn er lügt.” “Was tut er, als ich ihn frage, ob er Schneemänner baut?” Harry unternahm keinen Versuch, seine Aufregung zu verbergen. “Er lügt”, erklärte Holzschuh.
    “Wann genau? Als er sagt, dass er überhaupt welche baut, oder als er sagt, oben bei sich auf der Terrasse?”
    Holzschuh stieß ein kurzes Grunzen aus, das Harry für ein Lachen hielt.
    “Wir haben es hier nicht mit einer exakten Wissenschaft zu tun”, betonte Holzschuh. “Wie gesagt, er ist kein schlechter Spieler. In den ersten Sekunden nach deiner Frage lässt er seine Hände noch auf den Lehnen, als wollte er die Wahrheit sagen. Dabei weiten