Schneemann
jemanden her, der Zugang zu den Papieren der Leichen hat, und überprüfen Sie alle, die hier sind. Sofort. Ich muss jetzt los!” “Und was passiert jetzt?” Holm war völlig perplex. “Ich komme, ehrlich gesagt, nicht mehr ganz mit.”
“Versuch es”, bat Harry. “Vergiss alles, was du bisher geglaubt hast, und versuch es.”
“Na ja, aber was passiert jetzt?”
“Darauf gibt es zwei Antworten”, erwiderte Harry, “die eine lautet, dass wir uns jetzt den Schneemann holen.”
“Und die andere.”
“Dass ich keine Ahnung habe.”
TEIL V
KAPITEL 33
Mittwoch, 5. November 1980.
Der Schneemann
Es war der Tag des ersten Schnees. Um elf Uhr vormittags fielen plötzlich und ohne jede Vorwarnung dicke Schneeflocken aus einem farblosen Himmel und legten sich auf die Felder, Gärten und Wiesen von Romerike wie eine Armada aus dem Weltraum.
Mathias saß allein in Mutters Toyota Corolla vor einer Villa im Kolloveien. Er hatte keine Ahnung, was seine Mutter in diesem Haus verloren hatte. Sie hatte gesagt, es würde nicht lang dauern. Aber es dauerte mittlerweile schon ziemlich lang. Sie hatte den Zündschlüssel stecken lassen, und im Autoradio spielte ein Lied der neuen Girlieband Dollie. Schließlich stieß er die Autotür auf und stieg aus. Durch den Schnee herrschte in dem Villenviertel eine beinahe kompakte, fast unnatürliche Stille. Er bückte sich, nahm eine Handvoll der weißen, pappigen Materie und formte sie zu einem Schneeball.
An diesem Tag hatten sie ihn auf dem Schulhof mit Schneebällen beworfen und ihn “Puppenmathias” gerufen, seine sogenannten Klassenkameraden der 7a. Er hasste diese neue Schule, und er hasste es, dreizehn zu sein. Nachdem sie in der ersten Sportstunde bemerkt hatten, dass er keine Brustwarzen hatte, war es sofort losgegangen. Der Arzt hatte gesagt, das könne erblich sein, man hatte ihn gleich auch noch auf eine Reihe anderer Krankheiten getestet. Mutter erzählte Mathias und Vater, dass ihr eigener Vater, der schon gestorben war, als sie selbst noch ein Kind war, auch keine Brustwarzen gehabt habe. Aber in einem von Großmutters Fotoalben fand Mathias eines Tages ein Bild von Großvater bei der Ernte, mit bloßem Oberkörper - und da hatte er sehr wohl Brustwarzen.
Mathias knetete den Schneeball immer fester. Er hatte solche Lust, ihn auf irgendjemanden zu schleudern. Hart. So hart, dass es weh tat. Nur war da leider niemand. Also musste er sich jemanden zum Bewerfen bauen. Er legte den harten Ball in den Schnee neben die Garage und begann ihn zu rollen. Die Schneekristalle verbanden sich, und als er den Ball eine Runde über die Wiese gerollt hatte, reichte er ihm bereits bis zum Bauch. Eine breite Spur braunen Grases verriet seinen Weg. Mathias schob weiter. Als er ihn nicht mehr weiterrollen konnte, begann er eine neue Kugel. Auch sie geriet ziemlich groß. Trotzdem schaffte er es noch, sie auf die erste zu setzen. Dann formte er eine letzte Kugel, kletterte auf den Schneemann und setzte ihm den Kopf auf. Der Schneemann stand direkt vor einem Fenster des Hauses, aus dem Geräusche zu vernehmen waren. Mathias brach ein paar Zweige vom Apfelbaum und steckte sie in die Seite des Schneemanns. Grub Schottersteine auf der Einfahrt aus, kletterte noch einmal auf den Schneemann und steckte ihm Augen und ein kleines Lächeln in den Kopf. Dann setzte er sich dem Schneemann auf die Schultern, schlang die Beine um seinen Kopf und blickte durchs Fenster ins Haus.
In dem hellerleuchteten Raum stand ein Mann mit nacktem Oberkörper und schwang mit geschlossenen Augen die Hüften vor und zurück, als würde er tanzen. Aus dem Bett vor ihm ragten zwei gespreizte Beine hervor. Mathias konnte sie nicht sehen, wusste aber dennoch, wer das war. Sara. Mama. Sie trieben es miteinander.
Mathias klemmte die Beine fester um den Kopf des Schneemanns und spürte die Kälte im Schritt. Er bekam keine Luft mehr. Es fühlte sich an, als hätte ihm jemand eine Stahlschlinge um den Hals gelegt.
Die Hüften des Mannes hämmerten auf seine Mutter ein. Mathias starrte ihm auf die Brust, während die kalte Taubheit vom Schritt über den Bauch bis in seinen Kopf stieg. Der Mann rammte seinen Penis in sie hinein. So wie in diesen Zeitschriften. Bald würde er kommen und seinen Samen in Mathias’ Mutter spritzen. Und dieser Mann hatte keine Brustwarzen.
Plötzlich hielt er inne. Mit schreckgeweiteten Augen starrte er Mathias direkt an.
Mathias lockerte seine Schenkel, ließ sich am Rücken
Weitere Kostenlose Bücher