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Schneemann

Schneemann

Titel: Schneemann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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Fensterbänke und Regalbretter.
    “Es gibt auch einen Keller.” Katrine zeigte auf eine Klapptür im Boden. “Das ist dein Reich. Was machen wir als Erstes?” “Suchen”, sagte Harry.
    “Wonach?”
    “Darüber sollten wir uns möglichst wenig Gedanken machen. ” “Warum?”
    “Weil man leicht etwas Wichtiges übersieht, wenn man nach etwas Bestimmtem sucht. Mach deinen Kopf frei. Du wirst merken, wonach du suchst, wenn du es gefunden hast.”
    “Okay”, sagte Katrine langsam.
    “Dann suchst du hier oben”, sagte Harry und öffnete die Bodenluke mit dem eingelassenen Eisenring. Eine schmale Holztreppe führte hinunter ins Dunkel. Er hoffte, dass sie sein Zögern nicht bemerkte.
    Trockene, tote Spinnennetze blieben an seinem Gesicht hängen, als er ins feuchte Dunkel hinabstieg. Es roch nach Erde und morschem Holz. Der ganze Keller war in den Hügel hineingebaut. Er fand einen Lichtschalter am Ende der Treppe und versuchte, die Lampe anzuknipsen, aber ohne Ergebnis. Das einzige Licht dort unten war das rote Auge eines Gefrierschranks, der an der einen Wand stand. Harry schaltete die Taschenlampe ein, und der Lichtkegel fiel auf eine Tür, die zu einem Verschlag führte.
    Als er sie öffnete, kreischten die Scharniere. Es war ein Arbeitsraum mit Werkbank. Für einen Mann mit Ambitionen und dem Wunsch, etwas Sinnvolles zu tun, dachte Harry. Nicht bloß Mörder fangen.
    Aber das Werkzeug sah ziemlich unbenutzt aus. Vielleicht hatte Rafto doch einsehen müssen, dass er nicht der Mann war, der etwas erschuf, sondern eher der Typ, der die Dinge hinterher wieder aufräumte. Ein plötzlicher Laut ließ Harry herumfahren. Er atmete erleichtert auf, als er erkannte, dass bloß der Ventilator des Gefrierschranks angesprungen war. Harry betrat den anderen Verschlag. Eine Decke verhüllte einen größeren Gegenstand. Als er sie wegzog, schlug ihm der Geruch von feuchtem Humus entgegen. Der Lichtkegel fiel auf einen verschimmelten Sonnenschirm, einen Plastiktisch, einen Stopel Plastikschubladen, hässliche, bunte Plastikstühle und ein Krocket-Spiel.
    Sonst war nichts im Keller. Oben hörte er Katrine hantieren. Er wollte die Tür des Verschlages wieder schließen, doch eine Plastikschublade war nach vorne gerutscht, als er die Decke weggezogen hatte, und blockierte nun die Tür. Gerade wollte er sie mit dem Fuß zurück in den Verschlag schieben, als er innehielt und auf den Boden starrte. Im Licht der Taschenlampe sah er die erhabene Schrift auf der Seite: Electrolux. Er ging zu dem noch immer brummenden Gefrierschrank. Der stammte ebenfalls von der Firma Electrolux. Harry packte den Handgriff und zog, doch die Tür ließ sich nicht öffnen. Da bemerkte er das Schloss unter dem Griff und sah, dass der Schrank abgeschlossen war. Er ging in den Werkraum und holte ein Brecheisen. Als er zurück war, kam Katrine gerade die Treppe herunter.
    “Oben ist nichts”, verkündete sie. “Ich glaub, wir können wieder fahren. Was machst du da?”
    “Ich verstoße gerade gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu Hausdurchsuchungen “, antwortete Harry, der das Brecheisen unmittelbar oberhalb des Schlosses in den Türspalt geschoben hatte. Dann legte er sein ganzes Gewicht auf das andere Ende des Eisens. Nichts geschah. Er packte noch einmal an, stützte sich mit dem Fuß an der Treppe ab und legte sich auf die Stange.
    ” Verdammt … “
    Mit einem trockenen Knall ging die Tür auf, und Harry taumelte nach hinten. Er hörte die Taschenlampe auf dem Boden aufschlagen und spürte die Kälte wie einen Gletscherhauch. Als er nach seiner Lampe greifen wollte, die hinter ihn gerollt war, hörte er Katrine. Ein Laut, der durch Mark und Bein ging, ein tiefer, röchelnder Schrei, der in ein Hicksen überging, das sich fast wie ein Lachen anhörte. Dann blieb es ein paar Sekunden still, während sie Luft holte für den nächsten Schrei: Er klang wie der erste, langgezogen wie der methodische, rituelle Schmerzgesang einer gebärenden Frau. Doch da hatte Harry bereits alles gesehen und verstand. Sie schrie, weil der Gefrierschrank auch nach zwölf Jahren noch ausgezeichnet funktionierte, so dass sich automatisch das Licht eingeschaltet hatte und auf einen Körper fiel, der in den Schrank gezwängt worden war - die Arme vor sich, die Knie gebeugt und den Kopf zur Seite gedrückt. Er war über und über mit weißen Eiskristallen bedeckt, was aussah, als hätte sich eine dünne Schicht Schimmel auf ihm abgelagert und von ihm genährt. Die

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