Schneemann
Warnung, seine Nase nicht in alles hineinzustecken”, schlug Holm vorsichtig vor. “Genau!”, rief Hagen. “Eine Warnung an alle anderen, Abstand zu halten.”
Der Kriminalchef senkte den Kopf und sah Harry von der Seite an. “Und was ist mit diesem zugenähten Mund?”
“Eine Aufforderung, den Mund zu halten”, meinte Skarre im Brustton der Überzeugung.
“Stimmt”, pflichtete Hagen ihm bei. “Wenn Rafto wirklich so ein falscher Fuffziger war, stand er dem Täter möglicherweise irgend wie nahe. Vielleicht hat er gedroht, ihn zu entlarven?”
Alle sahen Harry an, der zu diesen Vorschlägen bislang geschwiegen hatte.
“Nun?”, fragte der Kriminalchef brummend.
“Kann schon sein, dass ihr recht habt”, begann Harry. “Aber ich glaube, seine einzige Botschaft lautet: >Der Schneemann war hier.< Und dass er eben gerne Schneemänner baut. Sonst nichts.” Die anderen sahen sich kurz an, aber niemand protestierte.
“Wir haben noch ein Problem”, fuhr Harry fort. “Das Präsidium in Bergen hat eine Presserneldung herausgegeben, dass auf Finnoy ein Toter gefunden worden ist. Ohne weitere Details. Ich habe die Dienststelle gebeten, vorerst nichts bekanntzugeben, so dass wir noch ein paar Tage nach Spuren suchen können, bevor der Schneemann erfährt, dass die Leiche gefunden wurde. Aber mehr als zwei Tage werden es wohl kaum sein, keine Behörde kann wirklich über längere Zeit dichthalten.”
“Morgen früh hat die Presse Raftos Namen”, prophezeite Espen Lepsvik. “Ich kenne die Leute bei der Bergens Tidene und der BA.”
“Falsch”, kam es von hinten. “Die haben das heute Abend in den TV2-Spätnachrichten. Und nicht nur den Namen, sondern auch alle Details, inklusive der Verbindung zum Schneemann.”
Sie drehten sich um. In der Tür stand Katrine Bratt. Sie war blass, wenn auch nicht mehr so blass wie in dem Moment, als sie von Finnoy ablegte, während Harry dort auf die Polizei wartete.
“Du kennst also Leute bei TV?”, erkundigte sich Espen Leasvia mit einem schiefen Grinsen.
“Nein”, erwiderte Katrine und setzte sich. “Aber ich kenne das Polizeipräsidium Bergen.”
“Wo sind Sie denn gewesen, Bratt?”, wollte Hagen wissen. “Wir vermissen Sie schon ein paar Stunden.”
Katrine sah zu Harry, der ihr unmerklich zunickte und sich dann räusperte: “Katrine hat noch ein paar Sachen erledigt, um die ich sie gebeten hatte.”
“Das muss ja wichtig gewesen sein, lassen Sie mal hören, Bratt.” “Das ist jetzt nicht so wichtig”, wehrte Harry ab.
“Ich bin nur neugierig”, bohrte Hagen weiter.
>Du verdammter Militärakademiker<, dachte Harry. >Du Korinthenkacker, du dämlicher Rapportfreak, siehst du denn nicht, dass das Mädchen noch immer unter Schock steht? Du bist doch selbst blass geworden, als du die Bilder gesehen hast. Sie ist einfach nach Hause gerannt. Na und? Jetzt ist sie wieder da. Klopf ihr lieber auf die Schulter, statt sie hier vor allen Kollegen zu demütigen.< Harry sagte sich das innerlich laut und deutlich, während er Hagens Blick einzufangen versuchte, um ihm begreiflich zu machen, wie idiotisch er sich gerade verhielt.
“Nun, Bratt?”
“Ich hab ein paar Sachen überprüft”, verkündete Katrine und hob das Kinn.
“Ach ja, und was bitte?”
“Unter anderem, dass Idar Vetlesen Medizin studierte, als Laila Aasen und Onny Hetland ermordet wurden und Rafto verschwand.”
“Ist das wichtig? “, fragte der Kriminalchef.
“Das ist wichtig”, erwiderte Katrine. “Weil er dieses Studium an der Universität in Bergen absolviert hat.” Es wurde still im Kommissariat.
“Ein Medizinstudent?” Der Kriminalchef sah Harry an. “Warum nicht? “, entgegnete Harry. “Jemand, der später mit plastischer Chirurgie beginnt und von sich selbst behauptet, gerne Menschen zu modellieren.”
“Ich habe auch die Orte überprüft, an denen er Praktika gemacht oder später gearbeitet hat”, fuhr Katrine fort. “Sie stimmen nicht mit den Orten überein, an denen die Frauen verschwanden, in denen wir Opfer des Schneemanns vermuten. Aber als junger Arzt ist man viel unterwegs. Konferenzen, kurze Praxisaufenthalte.”
“Wirklich Mist, dass Krohn uns nicht mit ihm reden lässt”, klagte Skarre.
“Vergiss es”, sagte Harry. ” Wir nehmen Vetlesen einfach fest.” “Und mit welcher Begründung?”, erkundigte sich Hagen.
“Dass er in Bergen studiert hat?”
” Versuchte Kinderprostitution. ” “Wie kommst du denn darauf?”
” Wir haben
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