Schneemond (German Edition)
einen Kiesel in eine der Waagschalen des Lebens und des Seins.
Theresa trieb hinaus, weit, weit weg, auf der Suche nach ihrer letzten Gefährtin und der, welche ihr nachfolgen sollte. Und noch während sie Ausschau hielt, überkam sie eine unglaublich starke und tiefe Sehnsucht nach ihren Gefährtinnen, von denen sie schon so lange getrennt war.
Die Nacht schritt fort und Stunde um Stunde tastete sie sich weiter. Doch Zeit war nicht mehr existent. Ein dünner Schweißfilm bildete sich auf ihrer Stirn, während sie immer verzweifelter nach Gewissheit suchte und doch nicht glauben wollte, was sie immer deutlicher spürte. Als die Nacht langsam zu Neige ging, floss ihr Geist zurück in ihren Körper, wie Wasser in ein Glas. Und als sie ihren Gesang beendete und zögernd die Augen öffnete, geblendet vom schwachen Schein der einsamen Kerze, erkannte sie das ganze Ausmaß dessen, was sie schon geahnt hatte, als Lukas ihr seine Geschichte erzählt hatte.
Alles hatte sich verändert.
Allein! Ich bin die Letzte!
Und schließlich wurde ihr der Verlust, den sie erlitten hatte, in vollem Umfang bewusst. Und sie sank zu Boden, kauerte sich zusammen, die Arme um die Knie geschlungen, wie ein furchtsames Kind und weinte hemmungslos.
Die regnerische und kalte Nacht war fast vorbei, als Maria aus ihren Träumen hoch schreckte und sich zu orientieren versuchte. Es dauerte einige Augenblicke, bis sie den Weg, zurück in die Realität, endgültig gefunden hatte und sich wieder erinnerte, wo sie war. Langsam und immer noch leicht verwirrt richtete sie sich auf ihrem improvisierten Lager auf, das ihreFreundin ihr auf der Couch im Wohnzimmer gerichtet hatte und starrte in die Dunkelheit, aus der sich nach und nach graue Schemen zu schälen begannen. Sie war hierher zu ihrer Jugendfreundin gefahren, um Abstand zu gewinnen und Klarheit zu finden. Abstand vom Institut und damit von Lukas, in der Hoffnung, ihre wahren Gefühle ihm gegenüber zu erkennen. Und Klarheit in Hinblick auf eben diese Gefühle und die Auswirkungen auf ihr weiteres Leben.
Doch all das war momentan vergessen.
Maria horchte in sich hinein. Was hatte sie geweckt? Wie Nebelfetzen zogen bruchstückhafte Erinnerungen an einen Traum durch ihre Gedanken.
Sie hatte auf einen weiten, dunklen See hinausgeblickt, durch Bäume hindurch, die auf einem Hügel über dem Ufer standen und sanft im Ostwind rauschten.
Maria schloss die Augen um sich besser konzentrieren zu können.
Ohne sich umzudrehen wusste sie, dass hinter ihr ein Haus – eine Hütte – zwischen den Bäumen stand. Sie liebte diesen Platz und fühlte sich beschützt und geborgen. Wenn sie ganz still stand und den Atem anhielt, konnte sie die Kraft des Lebens und der Liebe spüren, die wie die Wärme eines Lagerfeuers durch ihren Körper strömte. Sie war ruhig und zufrieden mit sich und der Welt und betete darum, diesen Augenblick, so lange wie möglich, festhalten zu können.
Plötzlich veränderte sich etwas. Ein kurzer Ruck ging durch diese Traumwelt und verschob und verzerrte sie nur ein winzig kleines Stück – kaum merklich und gar nicht der Rede wert. Und doch war mit einem Mal alles anders. Sie blickte immer noch auf das dunkle Wasser, das ihr plötzlich gefährlich und bedrohlich erschien. Und dann spürte sie es. Hinter ihr, in der Hütte, gingen grauenhafte Dinge vor sich. Sie hörte Schreie und entsetzliche Laute, die ihr das Blut in den Adern gefrieren ließen. Sie wollte weglaufen, fliehen, sich in Sicherheit bringen. Was wenn dieses dämonische Etwas sie hier draußen – alleine und ungeschützt - entdecken würde? Sie begann vor Angst und Entsetzen am ganzen Körper zu zittern und konnte sich doch nicht einen Schritt bewegen. Nicht einmal umdrehen konnte sie sich und starrte nur weiter auf das fast schwarze Wasser hinaus, während sie in ihrem Rücken das Grauen spürte.
Und dann trat Stille ein.
Und diese Stille war noch viel Furcht einflößender, als die knirschenden und reißenden Laute und die angsterfüllten Schreie vorher. Maria stand mit dem Rücken zum Haus und hörte, wie sich ihr etwas mit leisen, raschelnden Schritten näherte. Dann plötzlich spürte sie seinen gallig stinkenden Atem auf ihrer Haut. Er – es – musste jetzt ganz nahe sein.....
Als sie es nicht mehr ertragen konnte, riss Maria ihre Augen auf und starrte wieder in die Dunkelheit des nächtlichen Zimmers. Die Traumbilder verblassten fast augenblicklich zu verschwommenen Erinnerungen und büßten damit einen
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