Schneemond (German Edition)
sich.
»Entschuldigung....?«
»Ich wollte nur wissen, ob Sie sich wieder besser fühlen, Herr Seger?«, fragte sie ihn, wobei ihr Gesicht eisern verschlossen blieb und sie mit keiner Miene verriet, was sie wirklich dachte.
»Oh, ja, danke. Schon viel besser. Nach diesem wunderbaren Essen....«
»Das freut mich«, erwiderte sie, ohne im Geringsten nach Freude auszusehen.
Lukas war noch immer so nervös, wie ein Vierzehnjähriger bei seinem ersten Randevouz, doch langsam schien es ihm, als würde er die Situation in den Griff bekommen. Unbemerkt von den meisten Gästen hatte sich auf der Galerie ein Streichquartett eingefunden und ließ nun leise Musik durch den Raum fließen, wo die Gespräche intensiver wurden. Einige der Anwesenden erhoben sich, um sich am Käsebuffet, das nahe der Eingangstüre aufgebaut worden war, zu bedienen oder sich einfach nur die Beine zu vertreten. Schließlich standen, oder saßen, die Meisten der Anwesenden in kleinen Gruppen beieinander und eine warme und unbefangene Atmosphäre, die Lukas schon so oft hier im Institut erlebt hatte und die er so sehr schätzte, erfüllte die Bibliothek.
Er indessen saß einsam, bei einem Glas Rotwein, den Kopf gesenkt und dachte nach. Theresa Jakob war vor wenigen Minuten aufgestanden und hatte mit Bovier den Raum verlassen. Nun fühlte sich Lukas sicher genug, um über dieses seltsame – aus seiner Sicht sogar erschreckende – Zusammentreffen nachzudenken. Und er wusste immer noch nicht, wie er sich verhalten, was er tun sollte.
Plötzlich legte sich eine Hand sanft auf seine Schulter.
»Darf ich mich zu Ihnen setzen, Herr Seger?«
Als er ihre Stimme hörte, erschrak er so heftig, dass ihr das auf keinen Fall entgangen sein konnte. Unbeholfen rappelte er sich aus seinem Stuhl hoch und rang verlegen um Fassung.
»Aber selbstverständlich, bitte nehmen Sie doch Platz«
Es dauerte ein paar Augenblicke, bis sie sich beide wieder hingesetzt hatten, da er ihr – und auch sich selbst – mehr im Wege stand, als hilfreich zu sein. Sie bemerkte dies jedoch nicht – oder ging zumindest höflich darüber hinweg. Als sie es schließlich doch, trotz seiner Unbeholfenheit, geschaffthatten, am Tisch Platz zu nehmen, winkte Theresa eines der Mädchen, die für das Wohl der Gäste zuständig waren, herbei und bat um ein Glas Wein, das ihr auch sofort gebracht wurde.
Sie hob das Glas und prostete ihm verhalten zu, bevor sie mit geschlossenen Augen einen Schluck nahm. Lukas kam der Wein mit einem mal bitter vor und er fühlte sich sehr unwohl, als sie ihn schließlich wieder unverwandt ansah.
»Was hat Sie so sehr an mir erschreckt, Herr Seger?«
Lukas verschluckte sich und musste gewaltig gegen ein Würgen ankämpfen, um den Wein nicht über den ganzen Tisch zu prusten. Mit Mühe schaffte er es den Hustenreiz so weit zurückzudrängen, bis er zumindest die Flüssigkeit in seinem Mund hinuntergequält hatte. Bevor er jedoch nur ein Wort erwidern konnte, hustete er hilflos drauf los, bis ihm die Tränen in die Augen traten und sein Gesicht rot angelaufen war.
»Entschuldigen Sie bitte«, krächzte er schließlich. »Ich habe mich wohl verschluckt...«
Aus den Augenwinkeln fing er ihren Blick auf und ihm wurde schlagartig klar, dass sie sehr genau wusste, was in ihm vorging. Doch trotz dieser Erkenntnis fand er nicht den Mut, ihr ehrlich zu antworten und suchte stattdessen in fadenscheinigen Ausflüchten sein Heil.
»Was meinen Sie denn....? Sie erschrecken mich doch nicht...«
Noch während er es aussprach, war ihm klar, wie dünn und unglaubwürdig das klang. Theresa jedoch musterte ihn nur weiterhin, mit diesem durchdringenden, alles erkennenden Blick und ließ ihn warten. Schließlich schien sie die Sache – für den Augenblick zumindest – auf sich beruhen zu lassen und wechselte, ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, das Thema.
»Ich habe gehört, Sie hatten bei Ihren Arbeiten, unten in den Kellern, eine Art
Unfall
.«
Lukas war sich gar nicht sicher, ob ihm diese Wendung des Gespräches wirklich gefallen sollte. Was nur wollte Sie eigentlich von ihm hören? Doch noch während er überlegte, wie er ihr antworten sollte, wurde ihm plötzlich klar, dass sich hier endlich die Chance bot, mehr über sein und Daniel’s Abenteuer da unten zu erfahren – vorausgesetzt natürlich, seine Theorie, dass Institutleitung von dieser Höhle wusste, stimmte. Diese Erkenntnis war ihm so viel Ansporn, dass er alle Nervosität beiseite legte und
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