Schneemond (German Edition)
Clans berieten sich, ob es besser sei, sich von diesen Leuten, die so anders waren, fernzuhalten. Doch Sar nahm ihnen die Entscheidung schließlich aus der Hand, als sie sich plötzlich und ohne ein Wort, auf den Weg in das Lager der Anderen machte.
Zuerst wurde sie von diesen Fremden mit offenkundigem Misstrauen beäugt, als schließlich ein Mann, älter als die Übrigen, aus ihrer Mitte trat und Sar an der Schulter berührte. Nach einigen Augenblicken, in denen er Sar unverwandt in die Augen blickte, lächelte er und sie erwiderte es.
Sie hatten einander erkannt. Sie waren beide Mittler zwischen den Geistern und ihrem Volk und der alte Mann führte Sar an sein Feuer. Er sprach in einer seltsam abgehakten Sprache, die viele gutturale Laute enthielt und die Sar nicht verstand, zu ihr. Dennoch wusste sie genau, was er ihr zu sagen versuchte, da sie seinen wachen Geist spüren konnte, wie er den ihren. Und so saßen sie lange an diesem Feuer und erzählten sich gegenseitig die Geschichte ihrer Völker.
Und schließlich erkannte Sar, dass sie nicht vom selben Blut waren.
Zwei Rassen, entsprungen aus einem gemeinsamen Spross, vor unendlich langer Zeit, doch jetzt getrennt, auf ihrem Weg durch die Geschichte. Und Sar erkannte, dass das Volk des Alten dereinst enden würde, wenn ihr Volk noch einen langen Weg vor sich hätte. Und in den Augen des Alten sah sie, dass auch er dies wusste.
Und zum Abschied legte er seine schwielige Hand in die ihre und sagte etwas in dieser seltsamen, ungelenken Sprache. Und mit ihrem Herzen verstand sie was er meinte. »Nehmt uns mit in Euren Geschichten und vergesst uns nicht!«
Lange zogen sie weiter und weiter, bis sie schließlich, weit entfernt zu ihrer Linken, eine mächtige, mit Schnee und Eis bedeckte Bergkette, in der klaren, kalten Luft glitzernsahen. Doch Sar führte sie noch weiter nordwärts, in ein gebirgiges, waldreiches Land. Und eines Tages schließlich blieb sie stehen und blickte einen grau aufragenden Felshang empor.
»Wir sind da!«, bekannte sie, mit nur wenigen Worten und die Leute des Clans brauchten einige Zeit, bis sie die Endgültigkeit dieser Worte begriffen.
Wir sind da! Die Reise hat ein Ende! Wir sind da!
Und zögerlich zuerst, sahen sie sich um in diesem Land, das nun ihre neue Heimat sein sollte. Und schließlich entdeckten sie, weiter oben am Hang, den Eingang zu einer Höhle. Sie schafften ihre wenigen Habseligkeiten, die sie bei sich trugen, hinauf vor den Eingang und warteten. Nor-ga wählte zwei Jäger aus und schickte sich an, mit ihnen gemeinsam die Höhle zu erkunden. Die Menschen wussten, dass Höhlen, vor allem so schön gelegene wie diese, häufig von Raubtieren, wie Bären und Höhlenlöwen, in Beschlag genommen wurden. Und so machten sich die Jäger bereit, das Terrain zu erkunden. Langsam und vorsichtig tasteten sie sich vor, in der einen Hand eine Fackel, in der anderen den Speer. Doch diese Höhle schien, so seltsam dies auch anmutete, noch niemals von einem Tier oder gar einem Menschen, genutzt worden zu sein. Plötzlich rief einer der Jäger, Sar’s Bruder, die anderen zu sich, weiter nach hinten in die Höhle, wo er offensichtlich etwas entdeckt hatte.
Als Nor-ga und der andere Jäger bei ihm eintrafen, standen sie plötzlich vor einem Abhang, der mit großen Steinen übersäht war und dessen Ende sich in der Dunkelheit verlor. Es würde ein schwieriger Abstieg werden. Doch da erkannten sie einen schmalen Pfad, der sich durch die Felsen schlängelte. Gerade als Nor-ga sich anschickte, hinunter zu steigen, spürte er eine Hand auf seinem Arm. Und als er sich umwandte, blickte er in Sar’s grüne Augen.
»Nein, Nor-ga. Dieser Bereich ist den Geistern vorbehalten und denen, die sie ausgewählt haben.«
Nor-ga nickte. Wer war er schon, dass er die Worte der Schamanin in Zweifel zog. Und nicht zuletzt hatte er Sar auf ihrer langen Reise lieben und schätzen gelernt und wusste genau, dass sie nichts tun würde, was ihrer Sippe auch nur im Geringsten schaden würde. Und so bedeutete er den Jägern mit ihm zu kommen, um mit den Familien die Höhle in Besitz zu nehmen.
Sar jedoch legte die Fackel, die sie trug, beiseite und begann, in völliger Finsternis, den Abstieg.
Wochen nach ihrer Ankunft an der Höhle, kamen plötzlich einige Frauen und Mädchen in das Lager des Clans gerannt und berichteten aufgeregt von anderen Menschen, die sie gesehen hätten. Und noch während ihrer Erzählungen, erschienen die Neuankömmlinge auf der
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