Schneemond (German Edition)
dünnen, verklebten Haaren betraten den Flur und gingen an ihm vorbei.
Moore musste innerlich schmunzeln, da diese Beiden auf ihn wirkten, wie eines dieser früher so beliebten Komikerpaare. Abbot und Castello, ja daran erinnerten sie ihn. Er sah ihnen hinterher und es kam ihm so vor, dass der Hagere furchtbar nervös war. Der Große jedoch schien die Ruhe selbst zu sein. Abbot und Castello verließen das Gebäude durch den großzügig verglasten Eingangsbereich und der Hagere verschwand sofort. Der Große jedoch blieb vor der Türe stehen, holte eine Zigarette aus der Innentascheseines Mantels und steckte sie sich an. Er nahm einen tiefen Zug, blies den Rauch genüsslich in den Himmel und sah Moore direkt an.
Moore starrte zurück und hatte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen.
Wo war der Aufzug? Und wo der Wachmann? Und plötzlich, ohne Vorwarnung und ohne dass Moore sich auch nur im geringsten darauf einstellen konnte, brach die Hölle los.
Die Aufzugtüre vor ihm wurde von einer gewaltigen Explosion aus den Schienen gerissen und die Druckwelle schleuderte Moore durch den Gang und an die Wand gegenüber. Mit einem Schlag war seine Welt erfüllt von einem grausamen Pfeifen, vor dem er sich nicht schützen konnte. Für wenige Augenblicke war Moore ohne Besinnung. Als er wieder zu sich kam, hatte er den kupfernen Geschmack von Blut im Mund. Es stank nach Rauch und verbranntem Fleisch. Moore wollte sich bewegen und schrie auf vor Schmerzen. Als er an sich hinabsah, sah er sein rechtes Bein in einem unwirklichen Winkel abstehen und, obwohl jetzt, da er sich nicht bewegte, der Schmerz nachließ, war ihm klar, dass sein Bein wahrscheinlich nur noch an Hautfetzen hing.
Auch seinen rechten Arm konnte er nicht bewegen.
Die Aufzugtüre lag zerfetzt und verbogen neben und halb auf ihm. Und dann sah er, dass sich das aufgerissene Blech der Türe tief in seine linke Seite gebohrt hatte. Moore war panisch und atmete flach und schnell. Im nun offenen Aufzugschacht loderten Flammen und Rauch erfüllte immer mehr den Gang, erschwerte ihm das Luft holen und reizte ihn zum Husten, wodurch er schreckliche Schmerzen litt.
Aus einem Instinkt heraus blickte er zum Eingang, wo der große Mann noch immer stand und ihn ansah. Doch nun hatte er ein breites Grinsen aufgesetzt und tippte sich mit zwei Fingern an die Stirn, zum Gruß an den schwer verletzten Moore. Und während Moore schwarz vor Augen wurde und ihn eine gnädige Ohnmacht umfing, wendete sich Goran ab, schlug den Kragen hoch und ging, zufrieden mit sich und seinem Beutezug.
Und als die ersten Sirenen durch die Nacht heulten und Helfer aus anderen Bereichen das Krankenhauses in den zerstörten Flur eilten, verschwand Goran stumm und mit verklärtem Blick in der Nacht.
Kapitel 15.
L angsam dämmerte er wieder der Wirklichkeit entgegen. Sein Kopf dröhnte und das Licht stach ihm schmerzlich in die Augen, als er vorsichtig versuchte, sie zu öffnen. Und er hatte einen Geschmack im Mund, als hätte er faules Fleisch gegessen. Als sein Blick schließlich etwas klarer wurde und er zur Decke hoch starrte, erkannte Lukas, dass er sich in seinem Zimmer im Institut befand. Und ganz gemächlich, zäh und tröpfchenweiße, kehrte seine Erinnerung zurück. Daniel und er in den Kellern – der Abstieg über den Geröllhang – die Höhle mit den Malereien – der Kreis und......
Ein dumpfer Schmerz in seinem Schädel ließ ihn aufstöhnen und veranlasste ihn dazu, sich seinen geplagten Kopf mit den Händen festzuhalten, als könnte er so ein Zerbersten verhindern. Langsam wurde der Schmerz wieder leichter und dann vernahm er eine vertraute Stimme leise neben sich.
»Da bist Du ja endlich wieder, Lukas. Du hast uns ganz schön erschreckt.«
Er drehte vorsichtig den Kopf in die Richtung, aus der ihn die Stimme ansprach, blickte in Maria’s Gesicht und spürte ihre Hand über sein zersaustes Haar streicheln.
Maria.
Und sofort war da wieder dieses Sehnen und Verlangen tief in seinem Herzen und er fühlte sich wohl und geborgen.
»Was ist passiert?«, fragte er sie.
Sie sah ihn aufmerksam an. »Das wollte ich eigentlich von Dir wissen, mein Lieber. Was Daniel uns erzählt hat, klang alles sehr verworren.«
Lukas war zu einer zusammenhängenden Gedankenkette irgendwie noch nicht so richtig fähig. Doch noch mehr, als sein schläfriges Hirn, lähmte ihn Maria’s Duft, der ihn jetzt, da sie ihm so nahe war, süßlich herb umschwebte. Er wollte nur noch in ihre Arme sinken und
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