Schneemond (German Edition)
gefangen in diesem trostlosen Traum? Wohin sollte er gehen in dieser Einöde?
Er zweifelte.
Er zweifelte an seinem Verstand, der ihn immer und immer wieder in diese Hölle schickte. Er zweifelte an einem gütigen Gott, der es zuließ, dass diese zwei unschuldigen Wesen hier, einsam und verlassen, geopfert wurden, gerade als ihre Leben zu blühen begannen. Und er zweifelte an einem tieferen Sinn, hinter all diesen Dingen, die ihm mit jedem Mal sinnloser erschienen.
Als er die Augen wieder öffnete und den Blick verloren in den Horizont richtete, schien sich etwas verändert zu haben. Langsam, ganz langsam kroch er aus seiner Lethargie zurück und versuchte dieser Veränderung habhaft zu werden. Doch es dauerte geraume Zeit, bis er zu begreifen begann. Der Wind hatte sich gelegt und der Horizont dämmerte in einem tiefen, ruhigen Blau.
Dann erkannte er plötzlich, dass der Wind nicht aufgehört hatte zu wehen, sondern, den scharfen, körnigen Schnee immer noch mit sich ziehend, wie in Zeitlupe über das Land strich. Fasziniert betrachtete er den langsamen, eleganten Tanz der zu Eis gefrorenen Schneeflocken, die sich wie Tänzer um sich selbst und umeinander bewegten und in diesen Bewegungen lag eine unbeschreibliche Macht und Schönheit
Dann sah er wieder zum Horizont. Dieses Blau? Woran erinnerte ihn nur dieses Blau? Natürlich, die Höhle des Kreises! Die Wände in dieser Höhle hatten in dem gleichen Blau zu ihm gesungen. Doch langsam verdichteten sich einzelne Bereiche in diesem gleichförmigen Leuchten und gerannen, unendlich träge, scheinbar in Äonen, zu Konturen. Er drehte sich vorsichtig einmal im Kreis. Sieben Umrisse schälten sich aus dem leuchtenden Hintergrund und wurden, mit jedem Atemzug, den er tat und der weiße Nebel vor seinem Gesicht tanzen ließ, deutlicher.
Die Kinder, fiel es ihm ein, die sieben Kinder. Doch dann erkannte er seinen Irrtum. Sieben Frauen standen - genau so nackt wie er - um ihn und sahen ihn an, mit Mienen, denen er nichts entnehmen konnte. Doch er musste sich korrigieren. Diese Frauen standen nicht auf der Erde, sondern schwebten ebenfalls wenige Zentimeter darüber, fast als wäre die Landschaft um sie herum unter einer dicken, klaren Eisschicht begraben.
Sein Blick blieb an einer der Frauen hängen und er erkannte sie.
Sie, die ihn schon in seinen früheren Träumen beobachtet und mit der er auch schongesprochen hatte, sie stand ihm jetzt am nächsten, war aus dem Kreis der Sieben zu ihm getreten und hielt ihn mit ihrem Blick aus glänzend grünen Augen fest.
Der Wind spielte in ihrem langen, roten Haar als sie, die Handflächen nach außen gedreht, vor ihm stehen blieb und sich ihm, in ihrer ganzen, weiblichen Anmut, darbot. Ohne dass er wirklich einen Einfluss darauf hatte, steifte sein Blick über ihren Körper und er sog jedes noch so kleine Detail voller Erregung in sich auf. Ihr zartes und doch herbes Gesicht mit den leicht schrägstehenden Augen und den vollen roten Lippen; ihr langer glatter Hals; ihre großen, vollen Brüste mit den rosafarbenen Spitzen; ihr straffer, jedoch leicht gewölbter Bauch und ihre schmalen Hüften; das üppige rote Vlies ihrer Scham, das in dem gleichen Rot leuchtete, wie ihre Locken; ihre langen festen Beine....
Lukas atmete schwer und er musste sich schließlich förmlich zwingen, ihr wieder in die Augen zu schauen. Es war die Aura einer fast unwiderstehlichen, sexuellen Anziehung, wie süßer, schwerer Duft um sie, die ihn einfing und umhüllte. Doch als sie zu ihm sprach, zersprang sein triebhaftes Verlangen, wie dünnes Glas und er sah sie trotz ihrer Nacktheit plötzlich mit ganz anderen Augen. Mit einem Mal schien sie in einer Würde und Erhabenheit zu leuchten, die ihn jedes körperliche Begehren vergessen ließ und er spürte eine tiefe Liebe und Zuneigung zu ihr, wie zu einer Mutter.
»Sieh Dich um und erinnere dich«, ermahnte sie ihn.
»Was bedeutet das alles?«, fragte er hilflos. »Woran soll ich mich erinnern?«
»Daran, wer Du bist«, sagte eine der anderen Frauen. Und eine Dritte: »An Deinen Platz im Lauf der Dinge.«
Lukas drehte sich hastig herum – jedenfalls versuchte er hastig zu sein, was ihm jedoch nicht gelang, da auch er sich wie in Zeitlupe bewegte – auf der Suche nach denen, die ihm geantwortet hatten. Die Frauen standen ihm nun alle näher und er konnte eine jede Einzelne jetzt gut erkennen. Und eine Jede unterschied sich von den Anderen – es waren Frauen mit allen Hautfarben und
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