Schneemond (German Edition)
Wagen stand mindestens zehn Meter hinter ihm. Der Fahrer war ausgestiegen und stand in der geöffneten Türe, die gezogene Waffe mit beiden Händen direkt auf ihn gerichtet. Sein Partner war etwa die halbe Strecke auf Goran zugegangen und hatte ebenfalls seine Pistole gezogen. Zwar war der Lauf noch auf den Boden gerichtet, doch Goran zweifelte nicht daran, dass nur eine zu schnelle Bewegung genügte, damit die Mündung in seine Richtung fliegen würde.
»Nur keine Dummheiten, Mister«, knurrte ihn der Polizist, der sich ihm von hinten näherte, an.
Was er jetzt brauchte war Zeit. Er musste näher an diese Typen ran, dann konnte er seine Kraft und seine Schnelligkeit auch effektiv einsetzen. Langsam zog er die Hände aus den Taschen, hob sie über den Kopf und drehte sich ganz zu dem Mann hinter sich um.
»Nur die Ruhe Sheriff. Ich habe nichts getan.«
Der Deputy näherte sich ihm weiterhin sehr vorsichtig.
»Das werden wir ja sehen. Los die Hände hinter den Kopf.«
Goran gehorchte, beobachtete aber weiterhin sehr genau seinen Gegner.
Nur noch ein kleines Stück
.
Sein Körper spannte sich, wie ein schussbereiter Bogen. Nur noch ein halber Meter und der Bulle würde sein blaues Wunder erleben. Er registriertejede Bewegung seines Gegenübers genau und hatte bereits erkannt, dass ihm der Kerl im Nahkampf nichts entgegen zu setzten hatte. Ein, zwei, schnelle und kräftige Bewegungen und der Deputy wäre entwaffnet und in seiner Gewalt. Das würde ihm einen unschätzbaren Vorteil verschaffen, denn mit dem Mann als Schutzschild würden die anderen Idioten nicht wagen auf ihn zu schießen. Zwei Waffen und Deckung und er hegte keinen Zweifel, dass die andern drei schnell erledigt sein würden.
Nur noch ein paar Zentimeter, komm schon, ich beiße nicht
.
Doch bevor der Beamte den letzten Schritt tun konnte, rief ein Mann von der anderen Straßenseite herüber.
»Mr. Salin?«
Goran war dermaßen perplex, als er nach so vielen Jahren mit seinem Familiennamen gerufen wurde, dass er die Polizisten, die auf ihn angelegt hatten, für wenige Augenblicke komplett vergaß. Er starrte auf den Mann, der dort im bleichen Schein der Laterne stand und war sich sicher, dass er ihn noch nie gesehen hatte. Der Mann stand da, bekleidet mit einem dunklen Anzug und Krawatte, über den er einen offenen, grauen Mantel trug und sah interessiert, aber wenig beeindruckt auf die Szene, die sich ihm auf der anderen Straßenseite bot. Mit seinem kurzen, modisch geschnittenem, schwarzen Haar, den graumelierten Schläfen und der randlosen Brille wirkte er, wie ein Banker. Sein Gesicht, scharfgeschnitten und glattrasiert, unterstrich diesen Eindruck nur noch. Als er sich sicher war, die ungeteilte Aufmerksamkeit aller Anwesenden zu haben, marschierte er mit energischen Schritten zu Goran und dem Deputy, der ihm am nächsten stand. Bevor der Beamte noch einen Ton sagen konnte, zog der Mann im grauen Mantel einen Ausweis aus seiner Innentasche und klappte ihn, vor der Nase des Deputies, auf.
»Laurence Gastropp, Generalstaatsanwaltschaft. Mr. Salin ist einer unserer Mitarbeiter, der verdeckt ermittelt.«
Der Deputy schien mindestens ebenso verblüfft zu sein, wie Goran. Jedenfalls starrte er eine geraume Zeit auf den Ausweis von Mr. Gastropp, den dieser geduldig vor sein Gesicht hielt. Schließlich fand der Beamte seine Stimme wieder.
»Ich muss das überprüfen, Sir« erklärte er dem grau bemäntelten, der nur kurz nickte.
»Natürlich Officer, tun Sie das.«
Damit ließ er den Ausweis mit einer geschmeidigen Bewegung wieder in der Innentasche seines Jacketts verschwinden und fischte eine Packung Zigaretten aus der Manteltasche, die er Goran einladen darbot, während der Deputy unsicher zu seinem Kollegen am Streifenwagen zurückging.
»Zigarette?«, fragte er jovial.
Goran erwiderte nichts und betrachtete den Mann genau. Er wirkte nicht nervös oder angespannt und genau das machte Goran kribbelig.
»Nein danke«, antwortete er schließlich so leise, dass ihn nur sein Gegenüber verstehen konnte. »Ich rauche nicht. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht für Ihr Büro arbeite.«
Gastropp hielt seinem durchdringenden Blick ohne Probleme stand.
»Natürlich nicht, Mr. Salin. Sie wissen das und ich weiß das. Aber unsere tapferen Polizisten hier wissen das nicht. Und das ist doch im Moment das Entscheidende.«
Er verzog seinen Mund zu einem kurzen, hämischen Grinsen, bevor er sich selbst eine Zigarette aus der Schachtel zog
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