Schneenockerleklat
war eine Kategorie, die in der aktuellen
Stimmungslage keinen Platz hatte.
»Ja«, meinte er
dann, »ich weiß. Scheint ihm ernst zu sein mit diesem Mädchen. Hast du die
schreckliche Szene vorhin zwischen ihr und ihrem Vater mitbekommen?«
Wilma hatte nicht, und während Mario sie kurz informierte,
musterte Karl Helmbach aufmerksam das eingesackelte, am Tisch liegende
Medaillon aus Altsilber, mit dem korallenroten stilisierten H darauf.
»Kommt Ihnen dieses Schmuckstück bekannt vor?«, wollte Fink
Brandtner wissen, dem das Interesse des Ex-Polizisten nicht entgangen war.
»Ja, ich glaube, ja«, Helmbach war sich
anscheinend nicht ganz sicher. »Ich glaube, die junge Dame, die immer wieder in
der Rezeption steht, ich denke, sie heißt Elke, hat ebenso einen Anhänger an
der Kette um ihren Hals.«
»Und Sie, haben Sie so ein Ding schon gesehen?«
Jetzt hatte sich Brandtner auch an Fossler gewandt, dessen
scheinbares Desinteresse an dem Anhänger so offensichtlich war, dass es kaum
übersehen werden konnte. »Sie wollen mich sicher glauben lassen, nichts davon
zu wissen, aber Sie sind ein schlechter Schwindler. Also was ist los?«
Jo Fossler musste jetzt eine Entscheidung treffen, die seine
Zukunft deutlich beeinflussen konnte. Gab er seine Jugendsünde zu und riskierte
eine entsprechende Bestrafung, oder hielt er den Mund und behinderte damit die
Arbeit der Polizei?
Er brauchte nicht lange, um sich für die Wahrheit
und damit dafür zu entscheiden, sein weiteres Leben nicht mit einer weiteren
Lüge und dem damit verbundenen Vertrauensbruch belasten zu wollen. Immerhin
hatte er erst gestern so etwas wie einen zweiten ersten Geburtstag gefeiert.
»Ja«, gab er zu, »ich habe ein solches Medaillon gesehen. Und
das unter ganz besonderen Umständen!«
Dann begann er, von jenem Tag vor dem letzten Weihnachten zu
berichten, an dem er Karl Helmbach kennengelernt hatte. Und dass er bei dieser
Gelegenheit ein Kettchen mit eben so einem Anhänger in der Hand der ermordeten
jungen Frau gefunden hatte.
»Leider habe ich in meiner damaligen Situation der Versuchung
nicht widerstehen können und das ungewöhnliche Schmuckstück an mich genommen!«
Er blickte schuldbewusst zu Boden.
»Und danach? Haben Sie es verkauft?«, wollte der
Major wissen, während Helmbach böse blickte und Palinski ungläubig den Kopf
schüttelte.
»Das habe ich ursprünglich vorgehabt!«, räumte Fossler ein,
»wenn man Hunger hat, kommt man auf die dümmsten Ideen. Ich habs dann aber
nicht übers Herz gebracht und mir vorgenommen, es bei Gelegenheit
zurückzugeben!« Er grinste schuldbewusst, griff in die Innentasche seines
Sakkos und holte ein Taschentuch heraus, in das etwas eingewickelt war. Ebendieses
Kettchen mit dem Anhänger aus Altsilber. Und dem korallenroten stilisierten H
darauf.
Im Gegensatz zu dem eingesackelten Pendant, auf dessen
Rückseite ›Stefan‹ eingraviert war, fand sich auf diesem Stück der Name Eva.
*
Der
Auftraggeber war mehr als zufrieden. Die ganze leidige Angelegenheit war ja
wesentlich problemloser gelaufen, als er vermutet hatte. Hin zu dem besoffenen
Schwein, ruck, zuck das Unvermeidliche getan und dann rasch und unauffällig
wieder weg. Kein Mensch hatte ihn gesehen.
Der Mann musste über seine eigene sprachliche Schlamperei
lächeln. Gesehen hatten ihn natürlich eine Menge Menschen, aber keiner hatte
ihn erkannt.
Komisch, dass die Sache noch nicht entdeckt worden
war. Na ja, dieser schreckliche Mensch ging eben niemandem ab. Und das Volk,
das jetzt noch im Saal war, war ja selbst schon jenseits von Gut und Böse. Es
war immer wieder verblüffend, welche Mengen Alkohol an sich vernünftige, nette
Menschen so in sich hineingießen konnten.
Trotzdem, die
wachsende Spannung machte ihm immer mehr zu schaffen. Langsam wurde es wirklich
Zeit, dass jemand entdeckte, was geschehen war. Vielleicht sollte er selbst?
Das wäre sicher ein gutes Ablenkungsmanöver. Wer kam denn auf die Idee, dass
der Überbringer der Botschaft gleichzeitig auch deren Verfasser war?
Dumm war nur das mit der Hand gelaufen. Die Wunde
brannte wie Feuer und blutete noch immer.
Aber halt, ging da nicht jemand zu dem Opfer hin? Vielleicht
klappte es ja jetzt.
Der Auftraggeber lächelte kalt und wirkte sehr zufrieden.
*
Helmbach, aber auch Palinski waren ziemlich
sauer auf Fossler. Und Major Brandtner hatte schon einige Andeutungen fallen
lassen, wie das, was
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