Schneenockerleklat
ja, da sind Sie schon richtig. Aber Mario ist im Moment
nicht da«, erwiderte das Weibchen am anderen Ende. »Kann ich ihm etwas
ausrichten?«
Eine Schlampe in seinem Zimmer, Wilma war verstört, dann
wütend und schließlich verzweifelt. Ehe die Wut schließlich wieder die Oberhand
gewann. So ein heuchlerisches Schwein.
»Ja, sagen Sie diesem verlogenen Kretin, dass er … ,
ach was, vergessen Sie es einfach!«, zischte sie in den Hörer und warf ihn
zurück auf die Gabel.
»Ist recht!«, meinte Geneva Post freundlich, legte ebenfalls
auf und schlief gleich wieder ein.
*
Sandy konnte es nicht fassen. Sie hatte zwar
schon früher davon gehört, aber dass man für ein paar Euro tatsächlich einen
Postschlüssel kaufen konnte, überraschte sie trotzdem. Das war einer, mit dem
man quasi in jedes Haus hineinkam, in dem es Briefkästen gab. Diese mussten
nach einem Grundsatzurteil im Sinne des allgemeinen Wettbewerbs für alle
erreichbar sein, die irgendetwas einzuwerfen hatten. Ausgenommen Fenster.
Also Gelbe Post, Rote Post, Blaue Post, Zettelverteiler und
jetzt auch sie. Sie wollte nämlich einen weiteren Brief an Anita Abbersin
zustellen, diesmal war der Name falsch geschrieben, da Albert nicht Korrektur
gelesen hatte wie beim ersten Mal.
Sandy liebte den Wettbewerb, sogar sehr. Dieser Schlüssel
konnte sich noch öfters als ausgesprochen hilfreich erweisen. Man musste sich
das einmal vorstellen, die ganzen Häuser mit ihren sauteuren
Sicherheitsschlössern, Gegensprechanlagen und Videoüberwachungen. Man brauchte
nur den richtigen Schlüssel. Den man überall bekam. Für zwölf Euro oder so war
man dann dabei.
Sandy wollte das Haus gerade wieder verlassen, als ihr eine
ältere Frau entgegenkam. Gut, dass sie letztes Jahr einem betrunkenen Postler
seine Postlermütze gestohlen hatte. Damit konnte sie jetzt als Zustellerin
durchgehen.
»San se neich do, Fräun?«, wollte die Alte wissen.
»Na, i bin nua die Vertretung vom Expresszurstölla. Da
Kollege mit da normaln Post kummt east!«, meinte die junge Frau, die nicht so
leicht in Verlegenheit zu bringen war.
»Osio haums nix fia mi?«, bohrte Frau Havlanek, dieser Name
stand zumindest auf dem Postkastl, an dem sie sich eben zu schaffen machte.
»Na, leida net«, entgegnete Sandy weiterhin höflich.
»Fia wen haums denn wos ghobt, wema frogn dearf?«, die Gute
war hartnäckiger, als die Polizei erlaubte.
»Derf ma oba net, guatn Tog«, jetzt hatte Sandy
genug.
»No, no, net
frech wearn. Ma wiad do no frogn diafn. Sicha wida wos fia die arrogante
Schnepfn im erstn Stock, die Anita.« Der Hexe würde man nach ihrem Hinscheiden
sicher die Goschn noch extra totschlagen müssen, bevor sie endgültig Ruhe gab,
ging es Sandy durch den Kopf, während sie sich rasch davonmachte.
Dann war sie endlich aus dem alten Kasten raus und einem
Albtraum namens Havlanek entkommen.
Andererseits, wenn das die einzige Schwierigkeit auf dem Weg
zu der vielen, vielen Marie bleiben sollte, dann konnte sie gut damit leben.
*
So um 10 Uhr am Vormittag begann Stress pur für
das ›Semmering Grand‹, im Besonderen für die mit Abreise und Ankunft
beschäftigten Mitarbeiter.
Da waren zunächst die 41 Gäste, die abreisten und
vorher noch Wünsche erfüllt haben wollten oder Verpflichtungen zu erledigen
hatten. Damit war vor allem das Bezahlen der Rechnung gemeint.
Erschwerend kam an diesem Tag dazu, dass 26 der 41 Gäste gar
nicht abreisen wollten, sondern mussten, da das Haus die Zimmer für die
Neuankünfte benötigte, was zur Folge hatte, dass über die gewohnte Drängerei
hinaus ein gutes Dutzend Menschen an der Rezeption herumlungerte und auf eine
unerwartet neue Chance hoffte. Und Eberheim und seine Mitarbeiter mit ständig
wiederkehrenden Anfragen nervten, ob nicht denn doch vielleicht …
Und dass da auch kein noch so großer Geldschein half und den
einen oder anderen Mitarbeiter in Versuchung führte, dafür sorgte der
Generaldirektor höchstpersönlich mit strengem Blick.
Kurz vor 11 Uhr ging es dann Schlag auf Schlag.
Als Erster der heute erwarteten VIPs traf Jean Marc Breddon
mit Gattin Luise ein, der Leiter der Kriminalsektion der Europol in Den Haag.
Gleich darauf folgte der legendäre Manfred Holzhausen vom BKA, der allein
angereist war.
Gegen 11.30 Uhr war es dann so weit. Eine große
Stretchlimousine, die bei der Abzweigung der Hochstraße um ein Haar das gleiche
Schicksal wie die
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