Schneenockerleklat
30-sitzigen Pferdeschlitten letzte Nacht erlitten hätte, fuhr
langsam vor. Der Chauffeur sprang heraus, riss den Wagenschlag auf, und Sir
Peter Millfish, der schon zu Lebzeiten legendäre Eigentümer und Herausgeber des
›Global Criminal Report‹ (GCR) stieg unter starkem Blitzlichtgewitter aus.
Gefolgt von Lady Paulina und den drei lieblichen Maiden Andrea, Bridget und
Caroline.
Sämtliche Töchter arbeiteten bereits höchst erfolgreich im
Medienreich des Herrn Papa mit und wurden von diesem liebevoll und
geschmacksicher als seine ABC-Waffen apostrophiert.
Sir Peter, dessen Ursprünge und früheres Leben weitgehend im
Dunkeln lagen, ein Umstand, an dem sich den Intentionen Millfishs nach auch
nichts ändern sollte, war von reichlich dicker Statur. Man konnte ihn mit Fug
und Recht als fett oder, wie es in Wien und Umgebung so schön hieß, als blad
bezeichnen. Dennoch oder gerade deswegen war der 64-jährige vollmähnige
Choleriker mit einer Körpergröße von 1,89 Metern eine ausgesprochen imposante
Erscheinung.
Lady Paulina war, obwohl sie die feingliedrige, ja zarte
Figur ihrer Jugend über die Jahre hinweg nicht ganz hatte retten können, nach
wie vor eine äußerst attraktive, vor allem aber intelligente und dynamische
Frau. Sie war das Herz, das unermüdlich für die Erhaltung eines befriedigenden
Familienlebens notwendigen Impulse sorgte.
Der fast schon feudal anmutende Auftritt, mit dem sich der
Millfish-Clan bei seinem Einzug ins ›Semmering Grand‹ in Szene gesetzt hatte,
hätte um ein Haar dazu geführt, die Ankunft eines weiteren wichtigen Gastes zu
übersehen.
Eberheim kannte den Commendatore aus Triest zwar nicht
persönlich, aber allein die Tatsache, dass die erst gestern erfolgte
Reservierung seiner allerletzten Suite durch die päpstliche Nuntiatur erfolgt
war, war als Empfehlung mehr als genug.
Eine wesentliche Information hatte die Nuntiatur allerdings
zurückgehalten: Commendatore Gaspard Pahl-Giacometti war mit einem luxuriösen
Kleintransporter vorgefahren und wurde gerade, auf einem Rollstuhl sitzend,
herausgerollt.
Jetzt hieß es blitzschnell handeln, wusste Eberheim, sonst
würde die geschätzte Neuankunft in Kürze vor der beeindruckenden Freitreppe
stehen, die vom Eingang hinauf zu Halle und Rezeption führte, um sich
schmerzlich seiner Behinderung und den damit verbundenen Einschränkungen
bewusst zu werden. Kein guter Start für das zukünftige Lieblingshotel eines
reichen Italieners nördlich der Alpen.
Denn das ›Semmering Grand‹ war dank seines beeindruckenden
Äußeren aus früheren Tagen und seines modernsten Ansprüchen mehr als gerecht
werdenden Inneren eines dieser immer seltener werdenden Häuser, in denen man
einmal zu Gast gewesen sein musste.
Bloß eines war dieses Hotel nicht, nämlich
behindertenfreundlich, geschweige denn -gerecht .
Gott sei Dank führte der Aufzug bis herunter,
auch wenn viele Gäste das nicht wussten. Denn die Fahrt in den Keller erfolgte
sehr diskret, blieb in der Regel dem großen Gepäck und damit den Hausdienern
vorbehalten.
In seltenen Fällen diente dieser Lift aber auch
dem Transport besonders geschätzter Gäste, denen man den Weg zu Fuß nicht
zumuten wollte. So wie das jetzt der Fall war.
Um der Improvisation zusätzlich noch den Nimbus des
Außergewöhnlichen zu verleihen, empfing Eberheim den Gast in der Halle mit
einem Glas Sekt und hieß ihn persönlich willkommen.
Und in seiner Suite fand der Commendatore neben dem
obligatorischen Obstkorb und einigen Petit Fours auch noch eine Flasche
Champagner.
Ja, und so oder zumindest so ähnlich sollte es dann noch bis
zum späten Nachmittag weitergehen.
Aber da Sir Peter und der Commendatore bereits eingetroffen
waren, sollte er das Schlimmste hinter sich haben, hoffte Eberheim. Und er
sollte recht haben damit.
*
Nach dem Anruf einer gewissen Frau Wilma Bachler
hatte sich Karl Helmbach sofort bereit erklärt, die Dame in ihrer Wohnung in
der Döblinger Hauptstraße zu besuchen.
Nachdem er gehört hatte, um was es ging, nämlich um
Ermittlungen in Zusammenhang mit Entführung und Erpressung, war sein Gaumen vor
Aufregung ganz trocken geworden. Das war ja eine tolle Geschichte. Endlich
etwas Anspruchsvolleres, etwas, das seinen Fähigkeiten eher entsprach als seine
bisherigen Aufträge.
Hauptsächlich hatte Helmbach in seiner relativ kurzen
Tätigkeit als Privater Ermittler mit Scheidungssachen zu tun
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