Schneenockerleklat
Batzen Geld zu lukrieren?
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Die Empfänger der etwas voreilig abgesetzten
Meldung über den Tod eines Mörders ›Späte Gerechtigkeit für Budapest 1988‹
waren durchaus professionell und verantwortungsvoll damit umgegangen. Sie
versuchten zuallererst, den Inhalt dieser Meldung zu verifizieren, ehe sie
diese veröffentlichten und eine Falschmeldung riskierten. Und das dauerte eben
seine Zeit.
Das heißt, fast alle Medien hatten sich in Zurückhaltung
geübt. Lediglich ein junger, unerfahrener Rundfunk-Redakteur hatte die ihm
aufregend erscheinende Nachricht ungeprüft als Sondermeldung ganze 18 Minuten
vor Mittag on air gehen lassen.
»Wie wir eben aus gewöhnlich gut informierter
Quelle erfahren haben, ist es heute im Rahmen der Jahresversammlung der Federation
Européenne des Criminalistes Investigatives (FECI) am Semmering zu einem
mysteriösen Todesfall gekommen. Eine unter der Bezeichnung ›Schlächter von
Budapest‹ bekannt gewordene Person soll kurz nach dem Frühstück unter
geheimnisvollen Umständen ums Leben gekommen sein. Damit hat der Mörder, wie er
in seinem Bekennerschreiben anführte, Rache für Budapest 1988 genommen. Was das
bedeutet sowie weitere Einzelheiten dieses aufsehenerregenden Falles erfahren
Sie in unserem Mittagsmagazin in Kürze auf diesem Kanal.«
Diese
Sondermeldung hatte natürlich gar nicht so viele Menschen erreicht, wer
erwartete schon aufregende News wenige Minuten vor den üblichen
Nachrichtensendungen?
Aber sämtliche Nachrichtenmedien des Landes und darüber
hinaus hatten diese Meldung natürlich mitbekommen und wurden durch diese
ebenfalls zum Handeln gezwungen. Sämtliche Skepsis, Vorsicht oder Rücksicht
wurden fallen gelassen und auf Teufel komm raus Nachrichten produziert.
Der Vorteil für jene, die abgewartet hatten, war der, dass
sie sich mit ihren möglicherweise noch so unsinnigen Meldungen auf die Urmutter
all dieser Nachrichten berufen konnten, ebendiese Sondermeldung im Rundfunk 18
Minuten vor Mittag. Und damit auch die Verantwortung für die befürchtete
Falschmeldung entsprechend delegieren konnten.
Nicht lange danach begann das Telefon im ›Semmering Grand‹
verrücktzuspielen, und die am Ort befindlichen Societyreporter versuchten sich
auf einem für sie völlig neuen Spielfeld, der Kriminalberichterstattung.
Aber das Schlimmste passierte dann exakt eine Minute vor 12
Uhr. Nachdem es Generaldirektor Eberheim, Mario Palinski und Major Brandtner
vom LK Niederösterreich endlich gelungen war, die sich in der Halle spontan
zusammengerotteten Journalisten davon zu überzeugen, dass kein Mensch im
›Semmering Grand‹ ermordet worden war, geschweige denn irgendein Mörder, der
sich 1988 in Budapest etwas Schlimmes zuschulden hatte kommen lassen, stolperte
Frau Olga Brenner, die langjährige Hausdame, der totalen Auflösung nahe, zu
Eberheim und flüsterte ihm so laut ins Ohr, dass die danebenstehenden
Journalisten jedes Wort verstehen konnten: »Herr Generaldirektor, die Erna
Wimmersal liegt in Suite 209 mit dem Gesicht in einer Portion Rührei mit Kaviar
und ist mausetot. Sie scheint sich überfressen zu haben!«
So schrecklich die Nachricht auch war, so hatte sie
schließlich auch ihr Gutes.
Nachdem eine grundsätzliche Weisheit der Medienbranche ›Bad
news are good news‹ lautete und eine tote Putzfrau allemal besser, nein viel,
viel besser war als ein lebender Generaldirektor, war die hungrige Meute jetzt
zufrieden und begann, die Sensationsmeldung ›Zimmermädchen tot in Suite des
Multimillionärs gefunden‹ oder ähnliche reißerische Schlagzeilen durchzugeben.
7.
Donnerstag, 20. Februar, nachmittags
Palinskis Kopf, seit einer Stunde mit der Frage
beschäftigt, woher er bis zum Abend 100.000 Euro herbekommen sollte, hatte
plötzlich noch etwas anderes zum Nachdenken, nein, eher zum Rätseln gefunden.
Die Frage, die ihn zunehmend beschäftigte und ihn sogar
Alberts ungewisses Schicksal vergessen ließ, zumindest zeitweise, lautete: Was
war im Jahr 1988 in Budapest geschehen? Und wer war gemeint, wenn vom Mörder,
vom Meuchler von Budapest die Rede war? Das waren keine Koseworte, mit denen
man jemanden bedachte, nur weil er einem gerade unsympathisch war.
Wer konnte ihm in dieser Sache weiterhelfen, über das
Geschehen in Budapest vor so vielen Jahren Bescheid wissen? Natürlich der eine
oder andere ältere Polizist aus Budapest, aber das war keine realistische
Option
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