Schneenockerleklat
erkannt, was da tatsächlich auf der Bank lag, als sie auch schon
Alarm schlugen. Gleich darauf eilte ein Helfer mit einer fahrbaren Trage herbei
und Johann Doe, wie der unbekannte Mann, man hatte keine Papiere bei ihm gefunden,
bis auf Weiteres genannt wurde, wurde in aller Eile auf die Intensivstation
gebracht.
8.
Donnerstag, 20. Februar, nach 17 Uhr bis 20 Uhr
»Wunderschönen guten Tag, meine Damen und
Herren, TeleAustria II begrüßt Sie direkt vom Semmering. Von der ›Mörderischen
Diskussion‹ im Rahmen der 50. Jahresversammlung der Federation Européenne des
Criminalistes Investigatives (FECI) im altehrwürdigen ›Semmering Grand‹
begrüßen Sie Ihre Moderatoren Tilly Maderna und Erwin Esslinger. Wir schalten
ins Grandhotel.«
Das Fernsehbild brachte einen eindrucksvollen Blick aus der
Vogelperspektive auf die tief verschneite Landschaft des Semmerings, ging dann
mit einer Totale auf den imposanten Bau des ›Semmering Grand‹ und immer näher
an den Haupteingang heran. Um schließlich ins Innere des Hauses und über die
breite Stiege in die Halle zu gelangen.
Hier wartete bereits Tilly Maderna, die Gewinnerin des Felix
sowohl im Vorjahr als auch vor drei Jahren, und begann sofort zu quatschen.
Sie erklärte den Zusehern, um was es sich bei der FECI
handelte und warum sich so viele der wichtigsten Kriminalisten Europas derzeit
in Österreich, eben am Semmering aufhielten.
»Der heutige Nachmittag und Abend stehen ganz im Zeichen des
Instituts für Krimiliteranalogie und seines Gründers Mario Palinski, eines
bekannten Wiener Privatermittlers und Polizeiberaters. Er wird uns jetzt
erklären, was wir unter dem etwas zungenbrecherischen Begriff
Krimiliteranalogie verstehen dürfen!«
Palinski lag es schon auf der Zunge, darauf hinzuweisen, dass
es ihm völlig wurscht war, was wir unter dem Begriff verstehen dürfen. Er hatte
gerade vorhin erfahren, dass das Zimmer, das man ihm für heute sicher zugesagt
hatte, zwar verfügbar war, aber, und dagegen konnte er leider nichts einwenden,
Juri Malatschew zur Verfügung gestellt werden musste.
Am ersten Abend hatte er die ihm zugedachte Suite
leichtfertigerweise Geneva Post überlassen. Das freie Bett in Florians Zimmer,
in dem er jene Nacht verbracht hatte, war inzwischen allerdings von Fink
Brandtner in Beschlag genommen worden. Und der Bedarf an Zimmern wurde ständig
größer. Ja, selbst Generaldirektor Eberheim und seine Frau hatten ihre
Dienstwohnung für die kommende Nacht einem wichtigen Gast überlassen, nämlich
dem Innenminister. Und standen jetzt da. Nein, nicht auf der Straße, sondern
vor der Frage, ob sie nach Ende des heutigen Rummels noch die rund 40 Kilometer
zu ihrem privaten Häuschen auf sich nehmen oder lieber im Ruheraum hinter der
Rezeption campieren sollten.
Wie auch immer, für Mario bedeutete das eine weitere Nacht in
einem der überaus komfortablen Fauteuils in der Halle.
Und in so einer be…scheidenen Situation hatte dieses Weib
keine anderen Sorgen, als ihn nach der Bedeutung des Wortes Krimiliteranalogie
anzulabern.
»Nun ja«, begann er salbungsvoll, »das ist recht einfach zu
verstehen. Die Krimiliteranalogie ist eine interdisziplinäre Methode zur
Feststellung der Interdependenz zwischen tatsächlichen und literarischen
Verbrechen und umgekehrt.« Die Maderna hatte große Augen und rote Ohren
bekommen und wollte ihn schon unterbrechen, doch Palinski kam gerade erst in
Fahrt.
»Stellen Sie sich vor, jemand beschließt, einen
bestialischen Mord, über den er in einem Roman gelesen hat, in die …«, wollte
er explizieren, doch Tilly wollte nicht mehr.
»Das ist ja wirklich hochinteressant, wir danken Ihnen für
die umfassende Erläuterung.« Die Moderatorin hatte nun jede vornehme
Zurückhaltung abgelegt und sich voll vor Palinskis Tiraden und unverständliche
Worthülsen geschmissen. Um ihnen Einhalt zu gebieten, ehe die Zuseher noch
ernsthaft Schaden nahmen.
Dass inzwischen laufend Prominente eintrafen, erwies sich in
dieser Situation ebenfalls als hilfreich. Mit »Ja ist das nicht der berühmte
Fernsehkommissar Maurice Gelatier?«, nützte Tilly auch diese Chance.
Das klang nicht nur wie die Urmutter aller rhetorischen
Fragen, das war sie auch. Denn wer in Österreich kannte nicht den beliebten
Schauspieler Jean Marie Grasse-Nizza, der dem urigen und vor allem unfehlbaren
Chef des Wiener Tatorts Gelatier das unique Profil verlieh. Maurice Gelatier
war so
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