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Schneenockerleklat

Schneenockerleklat

Titel: Schneenockerleklat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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»Hört,
hört!« aus den hinteren Reihen aus. Die Briten liebten so was.
    »Geneva Post ist mit heutigem Tage gestorben!« Sie ließ
einige Sekunden Stille folgen, um der Mitteilung mehr Gewicht zu verleihen. Die
spöttische Bemerkung »Das nennt man wohl post mortem!« war daher nicht zu
überhören.
    »Ab heute lautet mein Name nicht mehr Geneva Post«, fuhr sie
fort, »sondern Kinshasa Garni. Garni wie der berühmte, weltweit tätige
Hotelkonzern, die ›Garni‹-Hotels.«
    Vereinzelt setzte Gelächter ein, und eine Stimme informierte
Geneva, also Kinshasa, dass auch sehr viele Pensionen zu dem Kon…hihihi…zern
hahahaha gehörten.
    »Und warum gerade Kinshasa?«, wollte ein Journalist wissen,
der es meisterhaft verstand, keine Miene zu verziehen.
    »Ich wollte damit zu meinen Wurzeln zurückkehren!«, versicherte
die junge Frau, die ihre 15 Minuten im Rampenlicht trotz allem zu genießen
schien.
    »Wenn ich das erklären darf.« Kinshasa war jetzt nicht mehr
zu bremsen. »Ich bin im 2. Wiener Bezirk geboren, in der Leopoldstadt. Und
Kinshasa hat früher einmal Leopoldstadt geheißen. Ja, das hat mir meine
Freundin Wilma Bachler erzählt!« Dankbar blickte sie zu Palinskis Gefährtin
hinüber. »Und was mir an dem neuen Namen so besonders gefällt, ist, dass man
ihn nicht zu dummen Kosenamen verstümmeln kann. Das hat mich bei Geneva sehr
gestört!«
    Wie zur Bestätigung begannen männliche Stimmen etwas von
»Kein Schaserl« zu faseln und einer stellte die unweigerliche Frage: »Gar nie?«
    Aber Ex-Geneva negierte diese neuen Gemeinheiten, umarmte Jan
Belghusen, gratulierte ihm zu den für einen Holländer sensationellen
Schneenockerln und ließ sich ein wenig von dem flotten Rotterdamer abschmusen.
    Nun hatte Juri Malatschew das Handeln wieder in die eigenen
Hände genommen. »Und der Chauptpreis im …«, er blickte Palinski an, der ihm
rasch ein Kuvert zusteckte, »Wert von 2.500 Euro geht an Berta Weillchammer für
ihre cherrlichen Dukatenbuchteln mit Vanillesauce. Cherzlichen Glückwunsch!«
    Der Bekanntgabe der Siegerin folgten mehrere
Sekunden ungläubiger Stille. Bis sich endlich Franz Besenberger, der
Chefredakteur des ›Waldviertler Boten‹, mit der Bitte »Könnten Sie das noch
einmal wiederholen?« meldete.
    Nachdem Juri den Namen der Siegerin, vor allem aber das
Siegerdessert wiederholt hatte, brach ein mittlerer Tumult los.
    Missfallensäußerungen wie »Na, so was!«, »Das gibt es doch
nicht!« und »Das ist ja ungeheuerlich!« beherrschten einige Minuten den
Luftraum im Festsaal.
    Aber auch ein, zwei »Scandaleuse!«, »That’s not possible!«,
ja, sogar ein »Mensch, dat is ne Harke!« vom Korrespondenten des ›Neubrandenburger
Polizeibeamten‹ waren darunter.
    Obwohl der Anlass im Vergleich selbst mit den geringsten
Problemen der Welt völlig nichtig war, war dieser Eklat genau von der Art, die
der Öffentlichkeit so richtig unter die Haut ging.
    Palinski erinnerte sich noch gut, wie in seiner Jugend ein
österreichischer Minister einer wichtigen Persönlichkeit zu deren Geburtstag
eine Torte für sage und schreibe 13.000 Schilling Steuergeld geschenkt hatte.
Und noch dazu vom Überdrüber-Luxus-Konditor der ehemaligen Monarchie.
    Das darauf folgende
Rauschen im Blätterwald war unglaublich gewesen. Dass davor, gleichzeitig und
auch danach Milliardenbeträge an öffentlichen Geldern verspekuliert,
fehlinvestiert, geschmiert oder sonst wie in den Sand gesetzt worden waren,
hatte dagegen bestenfalls ein bescheidenes Säuseln hervorgerufen.
    Seither wusste Palinski, dass es eines besonderen Augenmaßes
bedurfte, um die öffentliche Meinung wirklich so richtig in Rage zu bringen.
Mit Beträgen oder Problemen, die für Herrn und Frau Österreicher nicht konkret
fassbar waren, sondern nur hypothetische Bedeutung hatten, war das nicht
möglich.
    Mit einer Torte aus der Luxuskonditorei im Werte einer
heutigen Mindestpension dagegen schon.
    Die Meldung vom Sieg der Dukatennudeln in einem Schneenockerln-Wettbewerb
war genau von der Art, die Menschen über Gebühr aufregen konnte. Das war so,
als ob ein Japaner die Wahl zum Mister Austria gewonnen hätte. Wenn man das
letzte Argument so recht würdigte, konnte diese Reaktion auf Juri Malatschews
Urteil auch als versteckte, ganz subtile Form von Alltagsrassismus bezeichnet
werden.
    Was davon zu halten war, würde wohl erst die zukünftige
geschichtliche Betrachtung des Vorfalles zeigen.
    Wie auch

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