Schneerose (German Edition)

Orlando dir
sein Blut gegeben?“
    Sie schüttelt den Kopf, denn an seine
Worte erinnert sie sich noch genau. Sie hatten sie so verletzt in dem Moment,
weil sie sich so sehr gewünscht hätte, dass er es gewesen wäre, der sie
gerettet hat. Sie hatten davon gesprochen gemeinsam die Ewigkeit zu überstehen.
Das war jedoch in der Nacht im Gewächshaus gewesen. Wie konnte sich nur so kurz
danach alles so zum Schlechten entwickeln?
    „Nein, er sprach davon, dass es eine
Mary gewesen sei.“
    Claudia nickt mit verzogenen Lippen.
„Dasselbe haben sie uns auch gesagt. Also stimmt die Legende wohl. Kain hat
alle zu sich gerufen.“
    „Und wo ist Kain?“
    „Ich wäre schön blöd, wenn ich es
ausgerechnet den zwei Wesen verraten würde, die Beide nichts anderes im Sinn
haben als mich und meine Rasse auszulöschen.“, schnaubt Claudia verächtlich.
    „Vielleicht können wir dir helfen.“,
setzt Lia jedoch überraschend an. Tru fällt ihr sofort kritisch ins Wort.
„Spinnst du?!“
    Auch Claudia wirkt wenig begeistert von
dem Vorschlag. „Wie solltest du mir helfen können, Succubus?!“
    „Ich nicht, aber Lilith. Sie hat den
Fluch ausgesprochen, also kann sie ihn auch wieder zurücknehmen. Sie kann deine
Königin retten.“
    Erkenntnis flammt in Claudias Augen
auf. So ungern sie es auch zugibt, muss sie sich eingestehen, dass Lia Recht
haben könnte. „Du weißt wo Lilith ist?“, will sie zögernd wissen.
    „Nicht direkt“, gibt Lia zu. „aber wir
werden sie am roten Meer suchen.“
    Tru hebt die Augenbraue. „Wir?“
    „Wenn du mich nicht begleiten willst,
gehe ich eben nur mit Mike und Lindsay...“, Lia stockt. Es tut ihr leid, dass
sie sich schon wieder so abweisend gegenüber Tru benimmt. Deshalb fügt sie
hinzu: „Aber ich würde mich freuen, wenn du mitkommen würdest.“
    Tru nickt und unterdrückt das Lächeln,
das tief aus ihrem Bauch heraus bei Lias Worten entsteht. Claudias Augen
wandern zwischen Tru und Lia hin und her. Sie ist unschlüssig, ob sie ihnen
vertrauen kann. Eine Succubus ist der natürliche Feind des Vampirs und Tru ist
eine Jägerin. Doch was für eine Chance hat sie sonst, um Chasity das Leben zu
retten?
    Schließlich nickt sie. „Kommt, ich
führe euch zu Chasity.“
    Lia kann nicht sagen, ob es eine kluge
Entscheidung war, einen Vampir zu der Suche nach ihrer Mutter einzuladen, doch
Claudia ist ihre letzte Verbindung, die sie zu Orlando hat. Sie ist ihre letzte
Chance ihn je wiederzusehen.

 
    Die
glühende Hitze treibt ihm Schweißperlen auf die Stirn, an der bereits seine
dunklen Locken wie Spinnennetze kleben. Anfangs fand er es ja noch ganz
aufregend der Kälte zu entfliehen, doch je näher sie ihrem Ziel Saudi Arabien
kommen, umso mehr bereut er die Reise überhaupt angetreten zu sein. Wenn sie
wenigstens mit dem Flugzeug geflogen wären, so wie es Lias Vater vorgeschlagen
hatte, doch das war auf Grund ihrer neuen ‚Freunde’ nicht möglich. Sie
bestiegen in England den Eurotunnel, fuhren über Frankreich, die Schweiz,
Österreich, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Türkei, Iran und schließlich
Saudi-Arabien. Es ist die reinste Tortour. Die Qualitätsstandards wurden bei
jedem Zugwechsel schlechter. Alleine über diese Reise könnte er bereits einen
ganzen Roman schreiben, dabei sind sie noch lange nicht am Ende ihrer Reise
angekommen.
    Es
ist ihm bis heute ein Rätsel warum Lia so viel daran liegt, diese unheimliche
Claudia und ihre sterbenskranke Freundin Chasity mitzunehmen. Vampire sind zwar
allgemein sehr bleich, doch das wäre noch eine Untertreibung für Chasity. Sie
ist mager, ihre Haut eingefallen und ihr Haar fällt bereits in Büscheln aus.
Ihr Anblick bereitet ihm Albträume und so hält er sich die meiste Zeit von ihr
fern, was Claudia nur Recht ist, die ihn ohnehin immer anstarrt als wäre er ein
Schnitzel auf zwei Beinen. Doch genau diese Beiden sind der Grund, dass er sich
jetzt seit bereits drei Tagen in dem stickigen Abteil einer Eisenbahn abquälen
muss, anstatt vor bereits zwei Tagen nach einem klimatisierten Flug in Dschidda
gelandet zu sein. Das Licht ist tödlich für die Vampire, aber er hätte absolut
Nichts dagegen, wenn der schützende Vorhang ihres Abteils sich plötzlich in Luft
auflösen und sie in Schutt und Asche verwandeln würde.
    Während
sich Claudia und Chasity das eine Abteil teilen, nahmen Lia und Tru das andere
und für ihn und Lindsay war das Dritte gedacht, doch Lindsay quetscht sich
lieber jede Nacht mit Lia in ein Einzelbett,