Schneerose (German Edition)
hast du das geglaubt?“, krächzt er, um sich direkt unsicher zu
räuspern.
„Naja
der Gothic-Style war bisher immer mehr mein Stil als Lias.“, erklärt Lindsay
ungewöhnlich schüchtern. Nun ist Mike, derjenige, der schweigt. Er weiß nicht
was er sagen soll. Sie hat Recht. Warum hatte er nur geglaubt, dass er so Lia
besser gefallen würde? Oder ging es gar nicht wirklich um Lia?
„Hat
es dir denn gefallen?“, drängt er nun, wobei seine Stimme gegen Ende hin zu einem
Piepsen wird. Es würde ihn nicht wundern, wenn die Wasserflasche in seiner Hand
bald platzen würde, so feste drückt er sie und hält sich an ihr fest wie ein
Ertrinkender an einem Stück Treibholz.
Lindsay
grinst ihn nun keck an. „Für einen Maskenball vielleicht.“
Ihre
Worte sind wie ein Stich ins Herz, aber er weiß auch, dass er es nicht anders
verdient hat. Er hat sich ihr gegenüber wie ein Vollidiot benommen. Es ist ein
Wunder, dass sie überhaupt noch mit ihm spricht. Trotzdem wendet er enttäuscht
den Blick ab. Frauen stehen eben einfach nicht auf ihn, nicht mal wenn er sich
verkleidet.
„Das
warst nicht du.“, fügt Lindsay nun hinzu. Als er wieder zu ihr hinsieht, liegt
auf ihren Lippen ein zögerndes Lächeln. Viel liebevoller als ihr freches
Grinsen. Es ist dasselbe Lächeln, das sie ihm geschenkt hatte, in der Nacht, in
der sie miteinander geschlafen haben. Es ist das Lächeln, das sein Herz zum
lachen bringt. Es ist das Lächeln, an das er denkt, wenn er abends einschläft
und das Lächeln, das ihm als erstes in den Kopf kommt, wenn er erwacht. Es ist
IHR Lächeln, das er einfach nicht vergessen kann.
„Ich
mag dich mit Jesuslatschen viel lieber.“, kichert sie nun und entlockt ihm
dafür ein breites Grinsen. Er verdient ihre lieben Worte nicht, aber für einen Moment
vergisst er sogar seine Kopfschmerzen und die Hitze. Lindsays Augen strahlen
ihm wie Sterne entgegen und die Welt um ihn herum bleibt stehen. Das Leben
könnte so einfach sein. Die Worte brechen einfach aus ihm hervor, sie haben
schon so lange auf seiner Seele und seinem Herz gelastet und er hat nie den
richtigen Moment gefunden, um sie loszuwerden.
„Ich
war so dumm.“
„Ja,
das warst du“, stimmt ihm Lindsay zu und lacht ihr glockengleiches Lachen.
Unsicher setzt Mike mit ein und streicht sich das nasse Haar aus der Stirn.
Lindsay greift über den Tisch und zieht ihm seine Brille von der Nase. Sie
putzt sie an ihrem schwarzen Shirt sauber und setzt sie ihm danach wieder auf,
dabei berühren ihre Fingerspitzen für einen Moment seine Ohren, die augenblicklich
rot anlaufen. Eine Gänsehaut breitet sich über seine schweißnassen Arme aus.
„Damit
du auch etwas siehst.“, sagt sie liebevoll. So fürsorglich kennt er sie gar
nicht, aber dadurch gefällt sie ihm nur noch besser.
„Es
tut mir leid.“, erklärt er ihr und meint es ehrlich.
Doch
Lindsay spielt die Ahnungslose. „Was tut dir leid?“
„Naja
du weißt schon die Nacht.“, setzt Mike unbehaglich an.
„Ach
du meinst DIE Nacht und was genau tut dir daran jetzt leid?“, sagt sie erst
scherzend, doch dann beschleunigt sich plötzlich ihre Stimme und ihr Lächeln
verzieht sich zu einer ernsten, angstverzerrtem Miene. „Wie du dich danach
benommen hast oder dass sie statt gefunden hat?“
Mike
will es unbedingt wieder gut machen. Er wünscht sich, dass er es ungeschehen
machen könnte. Er möchte, dass sie ihm verzeiht und so platzt aus ihm heraus,
ohne dass er über seine Worte auch nur eine Sekunde nachdenkt: „Alles.“
Er
würde sich für Gott und die Welt entschuldigen, wenn sie dann nur nicht mehr
wütend auf ihn wäre. Doch seine Antwort scheint ihr nicht zu gefallen, denn
ihre Augen verengen sich zu Schlitzen und er weiß, dass das selten etwas Gutes
bedeutet.
Abrupt
steht sie auf. „Na wenn das so ist, gehe ich wohl am besten. Nicht dass es
sonst noch mal passiert und dir dann wieder leid tut.“, schreit sie sauer
hervor und stößt sich von dem Tisch ab, wobei ihr halbvoller Kaffee sich über
die Platte und auf Mikes Kleider ergießt. Erschrocken springt er ebenfalls auf
und wischt an seinen Kleidern herum. Als er den Blick wieder hebt, sieht er
gerade noch wie Lindsay mit wütenden Schritten davon stampft. Was hat er denn
jetzt nur wieder gesagt?
Nach
nur wenigen Tagen auf Reise mit Nanuk und seinen Dolganen hatten sie Siorapuluk
bereits erreicht. Während Nanuk selbst ihnen stets mit Freundlichkeit begegnet,
verhalten sich seine menschlichen Dolganen eher
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