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Schneerose (German Edition)

Schneerose (German Edition)

Titel: Schneerose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Shepherd
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Passagiere das Schiff verlassen
haben, werden die Nächsten bereits herauf gewunken. An den Wänden prangen
Schilder in englisch, spanisch und deutsch die einen angenehmen Aufenthalt auf
Gran Canaria wünschen. So viel also zur Herkunft des Schiffes. Wahrscheinlich
wurde es in Gran Canaria als unbrauchbar erklärt und die Sudaner dachten sich,
dass es für ihre Zwecke noch genügt. Das versteht man hier dann wohl unter
Recycling.
    Während Lindsay, Mike, Lia und Tru an Deck zwischen
weißen Gewändern und Turbanen bleiben, um bei der Ausfahrt des Schiffes
zuzusehen, eilen Claudia und Einfach-nur-Chasity unter Deck, raus aus den
brennenden Sonnenstrahlen. Es ist bereits überfüllt auf den Gängen und sie
steigen wie wenige Privilegierte über einen Steg zu den Kabinen, in denen es
zwar nach Diesel riecht, aber die Klimaanlagen wenigstens etwas Kühlung
versprechen. Mit einem lauten Hupen setzt sich die „Drachenblume“ in Bewegung.
    Erschöpft lassen sie sich an der Wand entlang zu
Boden sinken. Tröstend legt Chasity ihre Hand in die von Claudia. Es ist die
erste Initiative ihrerseits seit Jahren...Jahrzehnten...Jahrhunderten...seit
jeher.

 
    Die Polarnacht ist eines der größten Weltwunder, die
Orlando in seinem langen Leben bestaunen durfte. Grün, gelb und blau
schimmernde Schleier ziehen sich wellenartig minutenlang über den Sternenhimmel
der Arktis. Die Sterne wirken so nah, dass man glaubt nur die Hand nach ihnen
ausstrecken zu müssen, um sie vom Himmelszelt greifen zu können. Eines der
Sternenbilder sticht besonderes hervor, es ist das des großen Bären. Auf
Griechisch bedeutet Bär arctos, wovon der Begriff Arktis abgeleitet wurde.
    Die Schönheit der Nacht raubt ihm jede Sprache.
Marys kleine Hand neben seiner eigenen zu spüren ist tröstlich, doch sein Herz
fühlt sich leer an. Ob er will oder nicht gleiten seine Gedanken immer wieder
zu Lia. Er denkt an die Gleichgültigkeit in ihren Augen als sie ihn zuletzt
betrachtet hat. Hätte sie ihn gehasst oder verachtet für das, was ihr durch ihn
zugestoßen ist, könnte er damit besser leben, als dass er ihr einfach nur noch
egal ist.   Er kann sie nicht verachten,
er kann sie selbst nicht einmal als Monster sehen.
    Die ausgedachten Entschuldigungen für sie sind
zahlreich. Er will ihr sagen, dass er sie immer noch liebt, dass er versteht,
wie sie sich fühlt und dass sie nichts dafür kann, weil der Dämon in ihrem
Inneren der wahre Schuldige ist.
    Wie ein Film läuft ihre gemeinsame Zeit vor seinen
Augen ab, vom ersten Mal als er sie mitten in der Disco sah, ihrem Ausflug an den
Strand und die Karussellfahrt bis zu ihrer Nacht in dem Gewächshaus.
    Sie würde die Polarnacht lieben. Ihre Augen würden
sich vor Staunen und Freude weiten. Ihr Anblick würde ihn zum lächeln bringen.
Niemand konnte ihn je glücklicher machen als Liandra, alleine nur dadurch dass
sie fröhlich war. Sie wirkt oft ernst, wenn nicht sogar traurig, umso schöner
ist es deshalb sie lächeln zu sehen. Sie gibt einem alleine durch ihre Freude
das Gefühl etwas Großartiges vollbracht zu haben, etwas worauf man stolz sein
kann. Lia hat das Beste in ihm zum Leben erweckt: seinen menschlichen Teil. Sie
jetzt verloren zu haben, ist unerträglich.
    Mary stupst ihn sachte an und deutet mit dem Kopf in
Richtung des großen Lagerfeuers, um den sich bereits ein Großteil der Vampire
versammelt hat. Seit Kain sich ihnen gezeigt hat, versammeln sie sich jede
Nacht um das Feuer und lauschen seinen Worten. Sie sind erfüllt von
Verschwörungen, Versprechen und Verzweiflung. Kain ist stark, er ist ein Gott,
aber er trägt keine Wärme in sich. Er gibt keine Hoffnung auf Glück und Liebe,
sondern nur auf Rache an der Verräterin, die ihn verlassen hat: Lilith. Am Ende
ist er nicht besser wie Orlando: Ein Verlassener, der nicht mit einer Abfuhr zu
recht kommt.
    Still treten sie in die Gruppe der Vampire ein, die
von Tag zu Tag ins Maßlose wächst. Zwischen ihnen bahnt sich ein Durchgang
durch den Kain barfuss und nur mit einer schwarzen Hose bekleidet, schreitet.
Sein schwarzes Haar schimmert wie Pech im Schein des roten Feuers. Stumm
verneigen sich alle Anwesenden vor ihrem Vater und Schöpfer, der aus der Hölle
selbst entstiegen zu sein scheint. Kain genießt seine Macht und lässt sie in
dieser Stellung einige Sekunden verharren, bevor er ihnen befiehlt sich wieder
zu erheben. Mit stolzem und geschmeidigem Schritt gleitet er rund um das Feuer,
ohne das seine Füße auch nur ein

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