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Schneerose (German Edition)

Schneerose (German Edition)

Titel: Schneerose (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maya Shepherd
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steht. Mit zusammengekniffenem Mund
deutet er auf die beiden Männer, die sich vor Mary postiert haben. Als Mary den
Blick sieht, mit dem Chasity sie betrachtet, wird ihr eiskalt und sie kauert
sich noch weiter in die Ecke.
    Mit einem lauten Knarren des alten Holzes erhebt
sich Chasity aus ihrem schmuckvoll geschnitzten Thron. Beängstigend hallen ihre
langsamen, aber zielstrebigen Schritte über den alten Steinboden. In gespannter
Erwartung halten fast alle Anwesenden den nicht vorhandenen Atem an, nur Marys
angstvolles Zittern durchbricht die Stille. Auch wenn der Blick nicht ihr,
sondern den Wachen galt, fürchtet sie, das nun wirklich ihr letztes Stündlein
geschlagen hat.
    Das flackernde Kerzenlicht wirft unruhig zuckende
Schatten an die kalten Wände, während Chasitys Schatten vor den Gemälden ihrer
Vorfahren immer größer wird, je näher sie Mary kommt. Seit Jahrhunderten geht
unter den Menschen das Gerücht rund, dass man einen Vampir daran erkennen
könne, dass er keinen Schatten besäße. Wenn sie nur wüssten, wie falsch sie
liegen. Ein Mensch würde einen Vampir als solchen nicht einmal erkennen, wenn
er mit blutverschmiertem Mund direkt vor ihm stünde. Für die Akzeptanz des
Daseiens der Vampire fehlt den meisten Menschen schlicht die Vorstellungsgabe.
Alles, was biologisch, nicht erklärbar ist, gibt es nicht.
    „Chasity, vergib mir. Ich hatte mich nicht unter
Kontrolle. Es kommt bestimmt nie wieder vor…“, jammert sie unter blutigen
Tränen und drängt sich immer weiter an die eisige Steinwand. Chasity beachtet
sie jedoch keines Blickes und schreitet immer weiter voran.
    „Es tut mir leid…“, fleht Mary unablässig um
Vergebung und hält erst den Mund, als Chasity bereits vor ihr und den Wachen
steht und ihren Blick geradewegs auf sie richtet. Jedoch nur für den Bruchteil
einer Sekunde, denn dann fährt sie mit einer Geschwindigkeit, über die nur ein
Unsterblicher verfügen kann, zu einem der Wachmänner herum und reißt ihm mit einer
tödlichen Präzision das Herz aus der Brust. Er schreit vor Schmerz laut auf und
geht auf die Knie, nur um unmittelbar in einer Blutfontäne zu verstummen. Das
kalte Blut spritzt gegen die bordeauxfarbenen Vorhänge und ergießt sich über
Mary, die nun den Schmerzensschrei des Vampirs fortsetzt und sich weinend und
zitternd die Hände vor die Augen hält, als Chasity auch die andere Wache ihres
toten Herzens entledigt, gerade als er dazu ansetzt, zu fliehen. Ihre leblosen
Körper fallen vor Marys Füße, als Chasity sich nur ungeniert die Hände an einem
ihr gereichten feuchten Tuch abwischt und zu den anderen Versammelten umdreht.
Dieser eine winzige Blick, den sie an Mary gesandt hat, reicht aus, um dem
Mädchen begreiflich zu machen, dass alleine sie für den gewaltsamen Tod der
Männer verantwortlich ist. Eine Last, die Mary das Herz bricht. Das wollte sie
nicht. Niemand sollte ihretwegen leiden, weder der Wachmann, dessen Blut sie
getrunken hat, noch die beiden Vampire, die sie unabsichtlich haben entkommen
lassen.
    „Ich dulde keine Nachlässigkeit!“, erklärt die
Königin ihre Tat mit einer kalten Endgültigkeit.
    Aus ihren Untertanen löst sich eine dunkelhäutige
Frau hervor und eilt auf die Königin und das zitternde Etwas, was einst Mary
war, zu, wobei ihr langes braunes Haar wie ein Schleier hinter ihr herfliegt.
Behutsam geht sie vor Mary in die Knie, wobei ihr fliederfarbenes Kleid sich
vom Blut rot verfärbt. Sie zieht das Mädchen hoch, worauf diese sich
bereitwillig in ihre Arme fallen lässt und laut zu schluchzen beginnt. Sanft
streicht die Vampirfrau ihr über die roten Locken und stört sich nicht im
Geringsten daran, dass Mary nun den Ausschnitt ihres Kleides mit Blut und
Tränen vollkommen ruiniert.
    „Pscht, alles wird wieder gut…“, flüstert sie ihr
liebevoll ins Ohr und küsst sie auf ihre kleine Stirn.
    Diese versöhnliche Situation wird jedoch von einer
Stimme, so schneidend und kalt wie Eis, unterbrochen.
    „Und das soll es jetzt gewesen sein?“, schallt es
empört von Claudia zu ihrer Königin durch den Raum. „Du tötest die Wachen und
lässt den eigentlichen Auslöser am Leben?! Du weißt, dass es weder das erste
Mal, noch das letzte Mal ist. Sie wird damit nicht aufhören, aber vielleicht
sollten wir sie beim nächsten Mal einfach machen lassen, damit dann die Sonne
uns die Arbeit abnimmt, denn das dumme Ding würde es ja nicht mal mitbekommen!“
    „Sie ist krank. Es ist nicht ihre Schuld!“, knurrt
nun die

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