Schneerose (German Edition)
ergreift charmant ihre Hand.
„Wenn ihr mir die Ehre erlauben würdet mich
vorzustellen. Mein Name ist Orlando Adam Moundrell. Es ist mir ein Vergnügen
euch kennen zulernen.“
Mit einem Blick aus Staunen und Erheiterung
blickt sie Orlando entgegen. Ihr Lächeln kommt von tief aus ihrem Inneren und
es ist so rein und ehrlich, dass ihm ganz warm wird.
„Lia.“, antwortet sie, weil sie nicht weiß,
dass er bereits ihren Namen kennt.
Sein totes Herz möchte vor Freunde auf und
abspringen, doch er bleibt ganz cool, während in seinem Kopf ihr Name wie eine
Melodie sich immer und immer wieder abspielt. So kurz und knapp und doch so
schön. Lia… Im Stillen wird sie jedoch immer seine Liandra bleiben. Das
Mädchen, das ihn verzaubert hat.
„Lia, du bist ein ungewöhnliches Mädchen,
aber das gefällt mir.“
Mit einem letzten frechen Zwinkern, lässt
er sie alleine vor ihrer Haustür zurück und fährt davon, wobei er deutlich
spürt, dass sie ihm hinterher blickt und so fühlt er sich wieder wie mit
unschuldigen achtzehn. Das Alter, indem er den Tod fand.
Tru war im Recht. Orlando hatte sich
tatsächlich geweigert ihr sein Alter zu verraten, doch woher hatte Tru das nur
gewusst? Es ist schließlich nichts dabei jemandem zu sagen wie alt man ist. Ab
einem gewissen Jahrgang fragt man zwar nicht mehr danach, aber Orlando scheint
ja noch lange nicht so weit zu sein. Vielleicht ist er ein paar Jahre älter als
Lia, dass will sie gar nicht ausschließen, aber so viele, dass er sich dafür
schämen müsste, können es unmöglich sein. Doch auch wenn Tru mit ihrer
Behauptung Recht hatte, ist Lia noch lange nicht bereit sich von nun an von ihm
fern zu halten. Jetzt erst Recht nicht mehr. Denn seit des letzten Abends sieht
sie Orlando mit anderen Augen. Er ist nicht mehr irgendein namenloser Typ von
vielen, sondern er ist zu ihr durchgedrungen und hat sie geküsst, obwohl sie
vor ihm ihr ganzes eigenartiges Gefühlschaos ausgebreitet hat. Manch anderer
hätte sie augenblicklich für verrückt erklärt und so schnell wie möglich das
Weite gesucht. Doch ER hat auch noch gesagt, dass er sie gerade deshalb mag.
Aber auch Tru macht sie mehr als neugierig.
Sie weiß etwas und Lia muss rausfinden was es ist.
Vor lauter Grübelei kommt sie zu ihrem
Glück erst bei den Chemielaboren an, als gerade die letzten Schüler eintreten.
Normalerweise sitzt sie, wie in allen Kursen, in der letzten Reihe, ganz
alleine. Doch heute möchte sie etwas daran ändern und so rutscht sie in die
vorderste Reihe direkt neben Tru. Sofort ertönt hinter ihr lauter Protest.
„Hey, das ist mein Platz!“, beschwert sich
Alica direkt lautstark und schaut Lia an, als wäre sie geistesgestört. Ihre
Freundin Pepe, die eigentlich Penelope heißt, steht neben ihr und betrachtet
Lia mit demselben abwertenden Blick. Sonst hat sie mit den Beiden nie Probleme,
da sie sich meistens aus allem raushalten, doch dieses mal haben sie jeden
Grund sich aufzuregen, immerhin hat sich Lia zu unrecht auf ihre Plätze
gesetzt.
„Was ist jetzt? Verschwindest du endlich?“,
will Alica erneut
genervt wissen. Hilfesuchend dreht sich Lia zu Tru
um, doch diese zeigt keinerlei Gefühlsregung, sondern zuckt nur mit der
Schulter und meint: „Setzt euch doch einfach auf Lias Platz.“
Einen momentlang zögern die Beiden noch, doch dann
geben sie klein bei und schlurfen in die hinterste Bank, jedoch unter lautem Schimpfen,
so dass es auch ja die ganze Klasse mitbekommt. Lia wüsste gern, ob Tru ihr
geholfen hat, weil sie selbst möchte, dass Lia neben ihr sitzt oder nur damit
sie wieder ihre Ruhe hat, weil ihr im Grunde vollkommen egal ist, wer neben ihr
sitzt.
Als Mrs. Petronelli den Raum betritt, zieht sie bei
Lias Anblick in der ersten Reihe erstaunt die Augenbraunen nach oben, jedoch
ohne es weiter zu kommentieren. Für den heutigen Tag steht ein Experiment auf
dem Programm. Während die Lehrerin Formeln an die Tafel schreibt, schwirrt Lia
bereits der Kopf. Sie möchte wirklich zuhören, um sich nicht vor Tru zu
blamieren, doch sie versteht einfach nur Bahnhof und muss immer wieder an IHN
denken, Orlando Adam Moundrell. Wie sich das anhört. So als wäre er ein Prinz aus
längst vergessener Zeit, geradewegs einem Märchenbuch entstiegen. Ihre Gedanken
schweifen ab. Sie denkt an Orlandos eisblaue Augen und das bunte Licht des
Karussells in ihnen. Ganz schwindelig wurde ihr bei seinem Anblick und sein
Lächeln hinterließ ein Kribbeln in ihrem Bauch.
Weitere Kostenlose Bücher