Schneerose (German Edition)
trägt Orlando
neben dem Duft von Moos und Algen Lias süßen Erdbeerduft entgegen. Staunend
wandert ihr Blick über das ehemalige Gewächshaus, welches mitten im
italienischen Garten erbaut wurde.
„Unglaublich!“,
stößt sie nur hervor und drückt Orlandos Hand etwas fester.
„Hier
komme ich immer dann her, wenn ich alleine sein möchte. Du bist die Erste, die
ich mitnehme.“
Es
stimmt, nicht mal Mary hat er das Gewächshaus bisher gezeigt. Von außen wirkt
es mehr als Unscheinbar. Die Fensterscheiben sind eingeschlagen oder von
Randalen mit Graffiti besprüht worden. Verloren ist der einstige Glanz. Es war
immer sein privater Rückzugsort, doch er wusste, dass es Lia gefallen würde und
ein wenig Freude hatte sie nach Bradleys Überfall dringend nötig. Vielleicht
will er auch einfach noch mal ihr ehrliches und reines Lachen sehen. Es ist
schwach und zurückhaltend, wie das Lächeln der Mona Lisa, doch das Strahlen in
ihren Augen verrät ihm wie sehr sie sich wirklich darüber freut.
Geräuschlos
gleiten seine Füße über den weichen Moosboden. Als er sich in die rostige
Hollywoodschaukel sinken lässt, begrüßt sie ihn mit einem andächtigen Knarren.
Neben den Geräuschen der Tiere und dem Rascheln der Blätter im Wind herrscht
Stille, umso deutlicher nimmt Orlando Lias schnellen Herzschlag war. Sie
scheint immer noch sehr aufgewühlt und unruhig zu sein. Fast wie stumm, war sie
auf der Hinfahrt in seinem Audi, noch stiller als sonst. Es bricht ihm das
Herz, wenn er nur daran denkt, was hätte passieren können, wenn er nur ein paar
Minuten später gekommen wäre. Warum hat sie sich nicht gewehrt? Er selbst hat
ihre unglaublichen Kräfte bereits zu spüren bekommen. Es wäre ihr doch ein
leichtes gewesen sich zu befreien und er hat in ihren Augen gesehen, dass sie
nichts lieber als das getan hätte. Aber warum konnte sie es nicht? Warum war
sie plötzlich so hilflos und schwach?
Er
möchte sie trösten, er möchte wieder das geheimnisvolle Lächeln auf ihren
Lippen sehen. Er möchte sich noch einmal so frei und unbeschwert fühlen.
Sanft
löst er seine Hand aus ihrer und streicht ihr damit über die Wange, ohne ihr
auch nur die geringste Reaktion zu entlocken. Als er sachte ihren Kopf zu sich
dreht, schwimmen erneut Tränen in ihren Augen. Sie ist gebrochen, aber eines
schwört sich Orlando: Nie wieder wird er zulassen, dass ihr jemand etwas zu
leide tut. Seine Lippen legen sich tröstend auf ihre. Auch wenn er ihr keine
Wärme spenden kann, entspannt sie sich unter seiner Berührung und erwidert den
Kuss zaghaft. Dabei platzt ihre Lippe erneut auf und der bittere Geschmack
ihres Blutes dringt auf Orlandos Zunge. Erschrocken fährt er zurück. Er hat es
sich nicht eingebildet. Ihr Blut ist sowohl einmalig, als auch ungenießbar. Wie
kann etwas nur so herrlich duften, aber gleichzeitig so unerträglich sein?
Verwirrt
starrt sie ihn an, doch dieses Mal ist er es, der schweigt. Schließlich wendet
auch Lia den Blick ab und starrt zu den Sternen empor. Die Nacht ist so kalt,
dass die Milchstraße zu sehen ist und sich wie ein Pfad über den Himmel zieht.
„Hast
du schon mal eine Sternschnuppe gesehen?“, will Orlando wissen, um das Gespräch
wieder aufzunehmen. Er selbst hat in seinem Jahrhunderte überdauernden Leben
bereits genug gesehen, um zu wissen, dass sie einem auch keine Wünsche erfüllen
können, egal wie sehr man es auch möchte. Jeder ist selbst seines Glückes
Schmied. Doch anstatt einer Antwort, erhält er eine Gegenfrage: „Hast du mich
gebissen?“
Erstaunt
huschen seine Augen zu Lia zurück, die immer noch in den Himmel blickt, als
hätte sie nichts gesagt. Auch ihr Herz schlägt ruhig und gleichmäßig.
Halluziniert er? Aber dann bewegen sich erneut ihre Lippen.
„Muss
ich nun auch Blut trinken?“
Sie
weiß es! Und doch sitzt sie bei ihm als wäre nichts gewesen.
Er
schüttelt den Kopf. „Nicht, dass ich es nicht gewollt hätte, aber ich konnte
nicht.“
Dieses
Mal ist er es, der nun ihre Hand etwas fester drückt. Lia lächelt erleichtert
und ist sich nicht bewusst wie Besonders sie wirklich ist. Orlando sollte es
dabei bleiben lassen. Sie in dem Glauben lassen, dass seine Gefühle für sie
größer als sein Blutdurst sind. Doch zu sehr sehnt er sich danach mit jemand
anderem als Mary seine unglaubliche Entdeckung zu teilen. Die Worte dringen
unüberlegt aus seinem Mund.
„Weißt
du was das Besondere an Schneerosen ist?“
Als
sie ihm nicht antwortet, sondern ihn nur
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