Schneerose (German Edition)
mit einem irritierten Blick straft,
verlässt er die Hollywoodschaukel und läuft ein Stück in das verwilderte Feld.
Zwischen Moos, Holz und Steinen wächst unter Blättern großer Palmen versteckt
ein kleines Feld weißer Blumen. Sie haben kleine Köpfe, fast wie
Schneeglöckchen, nur das sie voll aufgeblüht sind und sich ihre Mitte in
strahlendem Gelb entfaltet. Orlando hütet sich jedoch davor eine von ihnen zu
pflücken und blickt sich stattdessen zu Lia um, die ihm neugierig gefolgt ist.
„Sie
sind wunderschön anzusehen, aber ihr Saft ist giftig, um nicht zu sagen
tödlich. Du erinnerst mich an sie.“
Zerstreut
starrt Lia ihn an und der Moment ist gebrochen.
„Tödlich?
Bist du dir sicher, dass wir von derselben Lia sprechen? Ich bin absolut
nutzlos, ein Niemand.“
Anstatt
fortzusetzen, was er begonnen hat, macht Orlando nun einen Rückzieher, in dem
Glauben, dass es für Lia nach dem brutalen Überfall, zu viel zu verkraften
wäre. Woher sollte sie auch wissen warum ihr Blut wie Säure schmeckt? Es war
dumm überhaupt damit anzufangen.
„Du
bist viel stärker als du denkst.“, gibt er deshalb nur vage zurück.
Lia
erwartet, dass er das weiter erläutert, doch als er seinen Blick von ihr
abwendet und wieder dem Sternenhimmel widmet, glaubt sie, dass es wieder nur
eine dieser Phrasen war, die man so daher sagt, ohne sie wirklich ernst zu
meinen.
„Wenn
ich dich bitten würde mich zu beißen, wäre ich dann wie du?“
Ein
freches Grinsen huscht über seine Lippen und er fängt leise zu lachen an, womit
er sich einen bösen Blick ihrerseits einheimst.
„Also
dafür braucht es schon etwas mehr. Wenn jeder Mensch, den wir irgendwann einmal
gebissen haben, direkt zum Vampir würde, gebe es mittlerweile vermutlich mehr
Vampire als Menschen.“
Lia
verschränkt abweisend die Arme vor der Brust. Sie ist beleidigt, weil Orlando
sie nicht ernst nimmt. „Aber du könntest mich verwandeln, wenn du wolltest?“
„Dafür
müsstest du mein Blut trinken, nachdem ich dich gebissen habe, aber ich würde
es dir nicht empfehlen.“
Lia
hebt erstaunt die Augenbrauen hoch. „Warum nicht? Du bist stark und frei.
Niemand schreibt dir etwas vor. Du kannst tun und lassen, was du willst, ohne
jemandem Rechenschaft schuldig zu sein.“
„Ganz
so ist das nicht. Auch Vampire müssen sich an Regeln halten. Alleine dadurch,
dass ich mit dir darüber spreche, breche ich mindestens zwei davon.“
Sie
blickt ihm eindringlich entgegen. Hoffnung schimmert in ihren Augen. „Wenn du
wählen könntest, würdest du dich dann wieder für ein Leben als Vampir
entscheiden?“
„Die
wenigstens Vampire hatten eine Wahl, aber hätten sie jetzt eine, würde sich
kaum einer dafür entscheiden.“
„Warum
nicht? Ihr seid unsterblich...“
„...aber
nicht unverletzlich.“
„Das
heißt?“
„Überlegst
du wie du mich umbringen kannst?“
„Könnte
ich es denn?“
„Du
müsstest mich nur zu einem Spaziergang im Sonnenlicht überreden.“
Es
liegt kein Mitleid in Lias Blick, sondern mehr wissenschaftliches Interesse.
„Weihwasser?“
„Ich
könnte es trinken, wenn ich wollte. Aber ich bevorzuge Blut.“, er versucht
witzig zu sein, doch Lia ist nicht im geringsten zum Lachen zu Mute.
„Silber?“
„Als
einziges Metall.“
„Habe
ich etwas vergessen?“
„Weißdorn.“
„Warum
ausgerechnet Weißdorn? Warum nicht Eiche oder Buche?“
„Die
Dornenkrone, die Jesus aufgesetzt wurde, soll aus Weißdorn gewesen sein.“
„Muss
es ein Stoß ins Herz sein?“
„Jetzt
willst du es aber ganz genau wissen, muss ich mir Sorgen machen?“, fragt Orlando
im Scherz und greift nach Lias fahrigen Händen. Er sehnt sich so sehr nach
ihrem Lachen. Ihre Fragerei macht ihn nur nervös. Menschen reagieren auf die
unterschiedlichsten Weisen auf die Existenz von Vampiren. Es ist nicht
auszuschließen, dass sie wirklich vorhaben könnte ihn umzubringen, doch davon
geht er nicht aus.
Plötzlich
legt sie ihre Hand auf seine Brust und beginnt sie abzutasten. Er weiß genau
wonach sie sucht. Doch es bleibt still.
„Du
hast keinen Herzschlag!“, stellt sie bestürzt fest.
Traurig
schüttelt er den Kopf. „Ich bin tot, Liandra!“
„Wie
kannst du tot sein, wenn du hier stehst und mit mir sprichst?“
„Für
mich gibt es keinen Himmel.“
Lia
zögert und beginnt die Perle, die in ihrem Ohrloch steckt, zwischen den Fingern
zu drehen. Eine blonde Strähne fällt ihr ins Gesicht. Instinktiv streicht sie
ihr Orlando hinters
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