Schneerose (German Edition)

Haarsträhnen um den Finger, während sie
Lindsay gehässig angrinst.
    Ihre Mutter seufzt und schiebt Lindsay ein Brötchen auf den Teller.
    „Hier, wenigstens eins. Danach darfst du gehen. Fragst du Mike ob er dir
suchen hilft?“
    „Nein.“
    „Warum nicht? Er ist doch immer ein so freundlicher und hilfsbereiter
junger Mann. Ich mochte ihn gern.“
    „Mum, du magst jeden gern.“, antwortet Lindsay genervt und schmiert sich
Nutella auf ihr Brötchen.
    „Er ist ein Loser“, kommentiert Ariana, die glaubt über alles und jeden
perfekt informiert zu sein.
    „So jetzt reicht es mir aber“, schimpft ihr Vater verärgert los. „Wenn
ihr nichts Nettes zueinander sagen könnt, haltet ihr besser den Mund und ich
lese meine Zeitung. Vielleicht ist deine Freundin auch einfach nur in den
Urlaub gefahren, es sind schließlich Winterferien.“
    Brummend breitet er diese nun vor sich aus und erhält dafür einen
vorwurfsvollen Blick von seiner Frau. Als er sich davon nicht beeindrucken
lässt, tadelt sie stattdessen ihre Töchter mit einem strafenden Blick. Um die
Stimmung aufzuheitern, beginnt sie „Jingle bells“ vor sich hin zu summen.
    So läuft es meistens ab. Lindsay versteht nicht warum ihre Mutter weiter
an der blöden Familienidylle festhalten muss, wenn es doch eh niemanden
interessiert. Lia hingegen fand es genau deshalb immer bei ihnen toll. Sie hat
immer gesagt, dass selbst ein Streit besser sei als gar nicht miteinander zu
reden.
    Lindsay ist gerade dabei sich ihren Kaffee mit einem Zug in den Mund zu
schütten, als ihr Blick auf die aufgeschlagene Zeitung fällt. Auf dem Titelbild
ist ein blauer Sportwagen zu sehen, der frontal gegen einen Baum gekracht ist.
In großen Lettern steht darüber „18-jähriger verunglückte bei Autounfall“.
Moment mal, das Auto kennt sie doch! Geschockt reißt sie die Zeitung ihrem
Vater aus den Händen und überfliegt den Artikel: „...nach einer Schulfeier
machte sich der beliebte Footballstar Bradley Smith in alkoholisiertem Zustand
mit seinem Auto auf den Nachhauseweg. Das war sein Todesurteil. Gegen 4 Uhr in
der Früh berichten Augenzeugen wurde er von einem roten Audi R8 GT von der
Straße gedrängt und verlor die Kontrolle über den Wagen. Er krachte frontal
gegen einen Baum. Bereits bei Eintreffen des Krankenwagen erlitt er seinen
Verletzungen und starb noch am Unfallort. Seine Mutter erzählte uns heute
Morgen tränenüberströmt, dass das Auto ein Geburtstagsgeschenk gewesen sei...“
    „Lindsay, jetzt ist das Fass aber wirklich voll. Was
denkst du dir dabei?“, schimpft ihr Vater wütend, wobei sein schwarzer
Schnauzbart leicht auf und ab wippt.
    „Mum, das ist Bradley. Der Junge, der Lia und mich gestern angegriffen
hat.“, erwidert sie aufgebracht, ohne ihren Vater zu beachten.
    Besorgt blickt ihr Valerie entgegen. „Das ist ja furchtbar, Schatz.
Schreiben sie denn etwas von Lia?“
    „Nein und auch von sonst keinem Mädchen.“, antwortet ihr Vater etwas
ruhiger, jedoch immer noch genervt.
    „Aber das ist doch gut, dann wissen wir zu mindestens, dass sie nicht bei
ihm war als es passiert ist. Bestimmt findet die Polizei sie bald.“
    „Wer weiß was er vorher mit ihr noch gemacht hat!“, ruft Lindsay
verzweifelt aus. Warum wollen ihre Eltern sie denn nur nicht verstehen? Sie
wissen nicht was passiert ist. Sie waren nicht dabei.
    „Geht das schon wieder los?!“, stöhnt Ariana genervt auf.
    „Dann geh eben nach ihr suchen, vorher gibst du ja sowieso keine Ruhe.“,
erwidert der Vater in Lindsays Richtung. Das lässt sie sich nicht zweimal
sagen, springt auf und läuft aus dem Haus, ehe ihre Mutter noch widersprechen
kann.

 
    Es liegt ein mulmiges Gefühl in ihrer Magengegend als sie endlich auf den
Klingelknopf drückt. Unruhig nimmt sie einen weiteren Zug von ihrer Zigarette,
während sie unablässig mit dem Fuß wippt. Sie raucht nur in extremen
Stresssituationen, so wie dieser. Wenn das Auto seiner Eltern in der Auffahrt
gestanden hätte, hätte sie wahrscheinlich gar nicht geklingelt. Waren da
Schritte? Neugierig späht sie durch das Milchglas und sieht tatsächlich
jemanden auf die Tür zu schleifen. Sie erkennt ihn sofort an seinem Schritt.
Das ist Mike.
    Als er die Tür öffnet, weiten sich seine Augen überrascht und bleiben an
der Maske über ihrer Nase hängen. „Was ist denn mit dir passiert?“, entfährt es
ihm verblüfft.
    Verdammter Bradley! Eigentlich sollte man nicht
schlecht über Tote reden, aber er war einfach ein