Schneerose (German Edition)
sie nicht aufmacht? Wir können sie ja schlecht dazu zwingen.“
Lindsay blickt das Haus empor, tritt einen Schritt zurück und schreit:
„Wenn es sein muss, warte ich die ganze Nacht.“
In dem Moment geht die Tür auf und Tru betrachtet sie mit einem
bitterbösen Blick.
„Was wollt ihr?“, schleudert sie ihnen unfreundlich entgegen.
„Ich sag doch sie ist da.“, erwidert Lindsay triumphierend, bevor sie
sich Tru zuwendet. „Dürfen wir reinkommen?“
Während
Chasity sich unruhig hin- und herwälzt, geht Claudia besorgt im Zimmer auf und
ab. Beides macht Vivienne nervös. Alles ist außer Kontrolle geraten, es herrscht
Chaos. Orlando wütend in seiner Zelle, in die er verfrachtet wurde, kaum, dass
er Moundrell Manor betrat. Victor hetzt die Vampire gegen Chasity auf und
Claudia ist zu verzweifelt, um etwas dagegen zu unternehmen. Zudem ist Mary
verschwunden, was bisher jedoch noch keiner bemerkt hat. Abgesehen von ihr.
Chasity
krümmt sich vor Schmerzen. Bei jedem Stöhnen zuckt Claudia zusammen, so als
teile sie das Leid von Chasity. Es ist das erste Mal in der Jahrtausende
überdauernden Geschichte der Vampire, dass das Blut eines Menschen so etwas bei
einem Vampir auslöst. Vivienne weilt schon lange genug auf der Erde, um das
sagen zu können. Für ihren Geschmack oft zu lange. Das Leben bietet keinen Reiz
mehr. Tagein, Tagaus verstecken sie sich unter der Erde oder hinter dicken
Vorhängen. Nachts jagen sie oder feiern Partys, bei denen die Gäste meist
jahrhundertelang dieselben sind. Es gibt keine Ziele mehr in ihrem Leben. Sie
kann weder einen Beruf erlernen, noch eine Familie gründen. Ihr Leben ist trist
und hoffnungslos. Es gab eine Zeit in der Vivienne sich nichts mehr wünschte
als einen Sonnenaufgang zu sehen. Es wäre das Letzte was sie sehen würde, doch
das wäre es wert.
Sie
vermisst die Wärme der Sonne und das Lachen von Kindern an heißen Sommertagen.
Sie
vermisst es auf einer grünen Wiese zu liegen und sich Geschichten über die
Formen der Wolken auszudenken.
Sie
vermisst Regenbögen.
Sie
vermisst das Leben.
Doch
dann kam Mary. Sie war sowohl innerlich als auch äußerlich zerstört. Eine
Seele, die in tausend Teile zersprungen war und Vivienne machte es sich zur
Aufgabe diese wie ein Puzzle wieder zusammenzusetzen. Plötzlich ergab ihr Leben
wieder einen Sinn. Sie hatte eine Aufgabe und jedes Mal wenn sie auch heute
noch Mary ein Lächeln entlocken kann, weiß sie, dass es sich lohnt.
Unerwartet
stürzt Victor in das Zimmer, an seinem ausgestreckten Arm, zerrt er Mary hinter
sich her, die sich zwar störrisch wehrt, aber ängstlich zu Boden blickt.
„Guckt
mal, was ich gefunden hab. Während wir die Regeln der Vampire durchgesetzt
haben, hat sich dieses kleine Monster gedacht es könne auf Streifzug gehen.
Meine Männer haben sie gerade dabei erwischt wie sie sich durch ein
Kellerfenster ins Gebäude schleichen wollte.“
Aufgebracht
wendet er seinen Blick Mary zu. „Hältst du uns für so blöd?“, schreit er sie
an, wobei Mary zusammen zuckt und sich noch kleiner macht als sie ohne hin
schon ist.
Claudia
beachtet Mary nur mit einem kurzen uninteressierten Blick voller Verachtung.
„Am besten steckst du sie direkt mit zu Orlando in die Zelle.“
„Nein!“,
entfährt es Vivienne sofort. Die Augenpaare der anderen richten sich auf sie.
„Schaut sie euch doch an, seht ihr irgendwo Blut? Also ich nicht!“
Beschützend
stellt sie sich neben Mary, die ihr nun hoffnungsvoll den Kopf entgegen hebt.
Auch an ihrem Mund ist kein Tropfen Blut zu erkennen, während ihre Augen immer
noch rot glühen.
„Wenn
sie nicht auf der Jagd war, wo war sie dann?“, verlangt Claudia desinteressiert
zu wissen.
„Ich
war nur spazieren!“, gibt Mary trotzig zurück. Vivienne spürt sofort, dass es
gelogen ist. Ihr ist unerklärlich woher sie diese Gabe hat und warum
ausgerechnet sie damit gesegnet wurde, doch es verleiht ihr die Macht Dinge
manchmal zum Guten zu wenden. Schnell nickt sie, hebt den Blick und schaut
Claudia in die Augen. Sie sieht den Zweifel über ihr Gesicht huschen. Für einen
Moment überlegt sie etwas zu entgegen, doch dann macht sie eine wegwerfende
Handbewegung.
„Na
gut, dann soll sie eben in ihr Zimmer gehen. Hauptsache sie macht nicht wieder
Ärger. Wir haben jetzt ganz andere Probleme.“
Während
Vivienne zufrieden nickt, plustert sich Victor empört auf.
„Das
ist ja jetzt wohl ein Witz. Sie lügt. Nie im Leben war die kleine Ratte
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