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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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so schnell antwortest.«
    »Weil es so war! Wir sind zum Schuppen gegangen, weil uns kalt war, und haben uns gegenseitig warm gemacht. Dann gab es plötzlich Streit, weil Geneviève zurück zu den Jungs wollte …«
    Er wird wütend auf Kristina. Je öfter sie ihre Geschichte wiederholt, je schlüssiger ihre Antworten sind, desto ungeduldiger wird er.
    »Warum glauben Sie mir nicht?«
    »Weil ich das Gefühl habe, dass du jemanden deckst. Das musst du nicht. Ich kann dich schützen …«
    »Sie müssen mich nicht schützen.«
    Er hat das Gefühl, dass der Raum überheizt ist.
    »Ich decke niemanden. Wir sind einfach nur an den See gefahren. Geneviève, Philippe, Max, Thomas und ich. Am See fing Philippe an, Geneviève zu begrabschen. Wir hatten Angst. Also sind wir in den Wald gelaufen, als wir auf der Lichtung ankamen, war uns kalt, also sind wir zum Schuppen gegangen …«
    Er will in sie dringen, die Wahrheit erfahren, um ihr helfen zu können. Und vergisst ausgerechnet deshalb, dass Kristina ein sechzehnjähriges Mädchen ist, merkt nicht, dass er sie quält, vergisst die Zeit und alle Regeln.
    Und dass er diesen unverzeihlichen Fehler macht, ist, aufs Ganze betrachtet, das Beste, das Allerbeste, was überhaupt passieren kann.

    Sie merken alle, dass etwas nicht stimmt. Der Kommissar verhört Kristina jetzt schon den zweiten Tag. Ohayon betet immerzu den gleichen Gedanken vor sich hin. Ob ihm nun jemand zuhört oder nicht.
    »Roland liegt falsch, Kristina hat niemals bei der Zeitung angerufen! Und woher sollte sie von Heimanns Vergangen-heitwissen? Er liegt falsch, das Zentrum ist der Anruf bei der Zeitung, und das war ein Mann …«
    »Hör auf zu brabbeln, Ohayon, unternimm was! Er ist seit drei Stunden mit ihr da drin, das ist nicht in Ordnung.«
    Ohayon zögert.
    »Die ist sechzehn, er kann sie nicht drei Stunden verhören. Das bringt auch gar nichts, das erkennt kein Gericht an, wenn sie jetzt irgendwas gesteht! Der baut da drin richtig Mist, und wir lassen ihn hängen vor lauter Schiss!«
    Ohayon fasst sich ein Herz. »Du hast recht, Grenier. Ich beende das. Du rufst die Staatsanwältin an, Conrey! Sofort!«
    Und dann geht Ohayon rein. Er erschrickt. Kristina sitzt starr auf ihrem Stuhl und redet monoton vor sich hin. Der Kommissar ist kurz davor, auf sie loszugehen.

    Silvia Stühler und ihr Anwalt sind noch vor der Staatsanwältin da. Silvia nimmt Kristina mit und verlässt das Kommissariat. Grenier bekommt noch mit, das Kristina weint und sagt, dass sie Angst hat.
    »Das ist ein ungeheuerlicher Vorgang, Monsieur Colbert. Gucken Sie sich mal im Spiegel an! Sie sehen aus wie ein Irrer!«
    Die Staatsanwältin versucht den Anwalt von Silvia Stühler zu beruhigen, aber der sieht seine Chance und nutzt sie.
    »Kristina ist ein sechzehnjähriges Mädchen. Sie verhören sie seit drei Stunden! Seit zwei langen Tagen! Hat sie ein Geständnis abgelegt?«
    Roland Colbert sagt nichts.
    »Kein Geständnis? Das ist ein Wunder. Wollen Sie Kristina so lange verhören, bis sie zusammenbricht? Sie hat vorhin geweint! Ist so was schon öfter vorgekommen? Ich werde mir mal Ihre Personalakte kommen lassen.«
    Allmählich redet sich der Anwalt so in Rage, dass er die Staatsanwältin ernsthaft beunruhigt. Endlich schickt sie ihn weg. Nachdem er gegangen ist, sieht sie Roland Colbert eine Weile an.
    »Wenn wir uns nicht seit zehn Jahren kennen würden und wenn du nicht den Ruf hättest, den du hast, würde ich ein Disziplinarverfahren gegen dich einleiten.« Die Staatsanwältin hat das Gefühl, irgendwas im Hals zu haben. Sie weiß, was dieses Gefühl bedeutet. »Roland. Was ist da drin mit dir passiert?«
    Roland Colbert weiß es nicht. Es kommt ihm vor, als würde er aus einem unglaublich anstrengenden Traum aufwachen. »Ich war mir absolut sicher, dass sie jemanden deckt und Angst hat. Wie sie geredet hat … als hätte man sie vorbereitet.« Roland Colbert spricht erst weiter, als Ohayon, Conrey und Grenier dazukommen. »Danke, dass du mich gestoppt hast, Ohayon. Es … es tut mir leid, ich … so was ist mir noch nie passiert.«
    Die Staatsanwältin hat das letzte Wort: »Ich würde dringend vorschlagen, dass du dir ein paar Tage frei nimmst.«
    »Wir wollen nächste Woche nach Spanien fahren.«
    »Um so besser. Nimm dir bis dahin frei.«

    Es ist vorbei. Für ihn ist der Fall vorbei.
    Roland Colbert fährt nach Hause. Unterwegs versucht er sich zu erinnern. Wo ist mir das passiert? An welcher Stelle hab ich den Verstand

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