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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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durch die Arktis laufen, so lustig, dass sie anfängt zu lachen. Sie lacht und weint und beglotzt einen Gegenstand nach dem anderen.
    Die Gewissheit trifft sie so schlagartig, dass sich ihr Körper zusammenkrampft und sie mit dem Gesicht in den Schnee eintaucht. Hab dich! Es ist eine gehörige Willensanstrengung nötig, und es dauert eine Weile, bis sie es schafft, ihren Oberkörper aufzurichten und schließlich aufzustehen. Sie hält den Gegenstand vor ihr Gesicht und ist so ergriffen, als wäre es ihr Erstgeborenes. Blut! Dabei könnte sie nicht mal sagen, wozu dieses Ding mal gut war. Eine Art Walze. Die kann gut irgendwo runtergerollt sein. Kristina hat die Wahrheit gesagt, wir sind durch!

    Roland Colbert ist allein. Er genießt die Stille. Er genießt sie genau vierzig Sekunden lang. Er macht sich klar, dass Alkohol noch nie jemandem geholfen hat, Probleme zu lösen, geht dann in die Küche und trinkt ein Glas Rotwein. Er füllt dann das Glas nach, kehrt ins Wohnzimmer zurück, beschließt, sich auf die Couch zu setzen, setzt sich nicht auf die Couch, beschließt, dass es besser ist, auf die Veranda zu gehen, geht auf die Veranda, betrachtet ein Gebüsch, geht wieder rein, leert beim Reingehen das zweite Glas, beschließt, nicht noch mehr zu trinken, füllt das Glas nach, setzt sich aufs Sofa und guckt sich eine Weile das leer geräumte Bücherregal an. Jetzt bleib ruhig und überleg, was falsch gelaufen ist. Er steht auf, weil er sich plötzlich daran erinnert hat, dass Tee beruhigt, geht in die Küche, setzt Wasser auf, bereitet die Kanne vor, staunt, wie viele Teesorten im Küchenschrank stehen … auch neue Tassen … kehrt ins Wohnzimmer zurück, setzt sich wieder aufs Sofa, hebt an, sein drittes Glas Rotwein zu trinken, tut es nicht und wartet stattdessen auf etwas. Auf was?
    Schluss!
    Aber wie könnte Schluss sein, wo er doch gar nicht glaubt, dass es vorbei ist?

    »Ich hab das Ding gefunden, das Geneviève auf den Kopf gefallen ist.«
    Ohayon sitzt an seinem Schreibtisch, als Grenier das sagt.
    »Wo?«
    »Sei froh, dass wir nicht im Schnee rumgeschaufelt haben. Ein komisches Teil ist das. So was wie eine Walze, um Sachen zu zerkleinern. Die muss weggerollt sein, nachdem sie Geneviève getroffen hat. Drei Meter neben dem Schuppen. Jedenfalls sind da Spuren von Blut dran.«
    »Und du meinst, das Ding ist runtergerollt, als Geneviève gegen den Pfeiler gestoßen ist?«
    »Klär ich noch.«
    »Gut gemacht, Grenier.«
    Conrey kommt dazu. Mit Neuigkeiten.
    »Du hattest recht mit dem Pfarrer, Ohayon. Erst hat er mir mal alles ganz groß und breit erklärt … na, das Beichtgeheimnis und so … Es hat ewig gedauert, aber ich habe gemerkt, dass er eigentlich reden will. Ja, und so hab ich ihm was erzählt davon, dass das für eine Sechzehnjährige ganz schön was bewirken kann, wenn sie so lange verhört wird, und dass immer ein Verdacht bleibt und … Ich hab gemerkt, dass er sich immer beschissener fühlte … ja, ich will’s jetzt nicht alles wiederholen. Jedenfalls ist er dann endlich mal rausgerückt. Also Kristinas Mutter, die war schon öfter bei ihm, und vor ein paar Jahren ist mal was passiert. Da hat Silvia Stühler wohl einen Wutanfall gekriegt und eine Frau verletzt. Es war nicht so schlimm, und die beiden kannten sich auch ganz gut … Jedenfalls hat Frau Stühler da eine Marotte entwickelt. Der Pfarrer sagte, dass sie das seitdem oft behauptet, dass sie plötzlich einen Anfall gehabt hätte und jemanden umbringen wollte. Immer, wenn was in Fleurville passiert ist und wenn was in der Zeitung gestanden hat, kam sie zu ihm, um zu beichten. Sie war jedes Mal der Meinung, sie wäre dabei gewesen und hätte fast jemanden getötet. Ja, und seit einiger Zeit hat sie behauptet, ihre Tochter wäre genauso wie sie. Und als jetzt das mit Geneviève passiert ist, da kam sie auch wieder. Beim ersten Mal hat er sie nach Hause geschickt. Beim zweiten Mal hat er ihr nachgegeben. Er hat mir auch gesagt, dass er mit Kristina gesprochen hat, bevor wir sie zum Verhör geholt haben. Er hat ihr gesagt, dass sie die Sache genau so erzählen soll, wie sie war, dass sie nichts ausschmücken soll. Egal, was passiert.«
    Jetzt, wo sie wissen, dass Kristina die Wahrheit gesagt hat, passt auf einmal alles. Ohayon fasst zusammen.
    »Was Conrey beim Pfarrer erfahren hat, wirft ein ziemlich klares Licht auf den Hergang. Was am Schuppen passiert ist, wissen wir. Kristina hat Angst, läuft nach Hause. Ihre Mutter sieht sie.

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