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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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Schuhe! Da hat er sich eingepullert.«
    Conrey lacht nicht beim Gedanken ans Einpullern. Er ist von den dreien der mit den besten Tischmanieren. Roland Colbert ist beim Essen ein Schlinger. Gar nicht der feine Gentleman, der er zu sein vorgibt, mit seinem Kaschmirmantel, seinem Schal und seinem eleganten Schreiten. Gerade beugt er sich tief runter. Um besser ranzukommen. Ans Essen. Er redet sogar mit vollem Mund! »Keine Ahnung … aber … wir wissen jetzt, dass der Herr Chefredakteur es mit dem Magen hat, weil die Auflage nicht so hoch ist, wie sie sein müsste, wir wissen, dass er vor lauter Angst und Ehrgeiz nicht schlafen kann, wir wissen, dass wir Mitleid mit ihm haben sollten, und … und wir wissen, dass es ein Mann … dass es ein Mann war, der in der Redaktion angerufen hat … und zwar um halb fünf, also eine halbe Stunde, bevor Madame Darlan uns darüber informiert hat, dass da ein totes Mädchen in ihrem Garten liegt. So! Isst du nichts, Conrey?«
    »Vielleicht später.«
    »Dann ist unser Herr Chefredakteur hingefahren, um zu sehen, ob das stimmt mit der Toten im Wald. Er wollte inkognito bleiben und hat sich den Arsch abgefroren.«
    »Und deswegen sollten wir noch mehr Mitleid mit ihm haben! Sollten wir doch, oder?«
    »Und deswegen war er das, den ich da im Wald gerochen hab. Roch ja auch ganz schön nach Friseur in seinem Büro. So weit ist also eine ganze Menge klar, nur … Wer hat angerufen?«
    »Na, der Täter, oder?«
    »Oder Madame Darlan. Die hat auch eine dunkle Stimme. Und die Stimme war verstellt, hat er gesagt.«
    »Hast recht, Conrey. Aber anonyme Anrufe? Das passt nicht zu ihr.«
    »Vielleicht der Fettwanst, von dem der Wirt gesprochen hat, oder?«
    Conrey will es genau wissen. »Aber warum ruft er in der Redaktion an, warum nicht bei uns? Wenn er angeblich weiß, wer der Mörder ist.«
    »Walter Heimann. Du hast es doch gehört, oder? Walter Heimann ist der Mörder. Das hat der anonyme Anrufer dem Chefredakteur jedenfalls gesagt.«
    »Kannst du jetzt bitte mal dein Besteck hinlegen? Du siehst doch, dass ich ein weißes Hemd anhabe! Danke. … Nein. Da stimmt was nicht. Wenn jemand Zeuge eines Mordes ist, dann ruft er doch nicht bei der Zeitung an!«
    »Na, dann kommt mal mit Gründen.«
    »Weil er selbst der Mörder ist und uns auf eine falsche Spur lenken will. Oder?«
    »Möglich. Kommt aber gleich die nächste Frage …«
    »Wer ist Walter Heimann?«
    »Sehr gut, Conrey.«
    »Lasst uns hinfahren, dann wissen wir’s. Oder?«
    »Nicht alle. Du fährst zu Genevièves Mutter.«
    Ohayon schluckt ein bitteres Gefühl hinunter, nickt.
    »Eine Vermisstenmeldung ist noch nicht eingegangen?«
    Conrey schüttelt den Kopf. »Es ist gleich 14 Uhr. Na gut, vielleicht liest Genevièves Mutter keine Zeitung.«
    Marie Grenier kommt an den Tisch. »Hallo, Roland. Schmeckt’s?«
    »Hm … hast du schon was?«
    »Das Handy von dem toten Jungen. Er heißt Philippe Nimier. Neunzehn, wäre im Januar zwanzig geworden. Seine Eltern wohnen in Belière, er selbst ist hier in Fleurville zur Schule gegangen und bewohnt seit einem Jahr eine eigene Wohnung. Ich habe am Parkplatz Reifenspuren gefunden. Und zwar von zwei Autos! Keine Profile, aber ich habe die Spurweiten, den Wenderadius, all das. Ich kann jetzt schon sagen: Es waren beides große Autos. Genaueres um 17 Uhr. Mein Büro. Und bitte pünktlich.«
    Roland Colbert nickt, Grenier geht.
    »Gut. Ohayon, du gehst zu Genevièves Mutter. Weißt du, wo sie wohnt?«
    »Ja.«
    »Frag sie nach Genevièves Freunden. Du, Conrey, fährst zu den Eltern von dem toten Jungen. Nimm ein Foto mit.Wir müssen wissen, ob er wirklich Philippe … Wie hieß der, was hat Grenier gesagt?«
    »Philippe Nimier. Es gibt da aber ein Problem, Roland.«
    »Was für eins denn, Conrey?«
    »Grenier hat gesagt, die Eltern wohnen in Belière. Das sind dreißig Kilometer Landstraße. Da komme ich niemals hin, bei dem Schnee.«
    »Gut, dann fährst du mit mir zu Walter Heimann.«
    »Wir werden gehen, Roland, nicht fahren.«
    »Dann werden wir eben gehen.«

    Sechsundvierzig. Sie hat es geschafft. Weg von der Kirche, nach Hause. Sie hat sich beruhigt. Sie ist in den Keller gegangen, hat sich ausgezogen und ist ins Wasser gestiegen. Der Pool erinnert sie immer an die Zeit, als sie und ihr Mann noch glaubten, eine perfekte Familie zu sein. Sie hatten Sport gemacht, sich gesund ernährt. Es hatte alles nichts genützt. Ihr Mann hatte sich von ihr scheiden lassen. Angeblich war sie verrückt.

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