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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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wer ist das? Hast du von dem mal gehört? Von Walter H.?«
    »Sagt mir nichts. Conrey?«
    »Mir auch nicht.«
    »Aber woher wissen die das? Die können das doch gar nicht wissen, oder?«
    »Doch, Ohayon, sie können das wissen. Da war jemand von der Zeitung vor Ort.«
    »Ich hab keinen gesehen.«
    »Die wollten wohl erst mal ihren Bericht bringen und dann Fragen stellen. Jetzt wollen sie jedenfalls wissen, wer die Tote ist und wie es mit den Ermittlungen steht und all das.«
    Ohayon ist empört. »Dass die das bringen, ohne uns Bescheid zu sagen!«
    Roland Colbert steht auf, legt einen Schein auf den Tisch.
    »Geht’s jetzt los, oder was?«
    »Ja, jetzt geht’s los. Du auch, Conrey.«
    Sie verlassen das Bistro. Der Wirt sieht ihnen nach. In der Hand ein kleines Tablett mit einer Tasse Espresso.

    Als sie die Kirche betritt, wird sie klein und ängstlich. Sie bekreuzigt sich, hört die mächtigen Akkorde der Orgel. Sie steigt auf die Empore. Zögert. Sie fürchtet sich, den Pfarrer beim Orgelspiel zu unterbrechen.
    Der Pfarrer hat sie längst gehört und durch den kleinen Rückspiegel neben dem Notenhalter gesehen. Er hört auf zu spielen, lässt aber die Hände noch einen Moment auf der Tastatur liegen.
    »Da bin ich. Danke, dass Sie sofort Zeit hatten.«
    »Du bist schnell gekommen.«
    Sie zögert. Dann bricht es aus ihr heraus. »Ich denke nur noch an den Wald!«
    Der Pfarrer dreht sich zu ihr um. »Denkst du wirklich an den Wald? Denkst du nicht an etwas ganz anderes? Ich nehme an, du hast Zeitung gelesen.«
    »Es war ein Unfall.«
    »Ja?«
    »In der Zeitung schreiben sie
Mord

    »Ach so?«
    »Wahrscheinlich lag es am Wald. Oder an der Hexe!«
    »Geh wieder nach Hause. Ich habe keine Zeit für solche Spielchen.«
    »Aber wir müssen darüber reden! Es ist etwas Schreckliches passiert. Wir brauchen Ihren Rat. Und Ihren Schutz.«
    »Ich habe nicht vor, mit dir über den Wald oder über Hexen zu sprechen.«
    »Sie sind mein Pfarrer! Sie dürfen mich nicht wegschicken!«
    »Du brauchst also Schutz? Du brauchst Rat? Dann lautet mein Rat: Nimm dich nicht so wichtig!«
    »Sie glauben mir nicht.«
    »Jedes Mal, wenn etwas Schlimmes passiert … wenn etwas passiert oder in der Zeitung steht … jedes Mal kommst du zu mir. Jedes Mal beschuldigst du dich oder jemanden, den du kennst, etwas damit zu tun zu haben.«
    »Und wenn ich recht habe? Wenn ich recht habe und alles weiß?«
    »Hast du das Mädchen aus der Zeitung getötet?«
    »Nein. Aber ich weiß, was passiert ist.«
    »Natürlich.«
    »Sie glauben mir nicht. Immer, wenn ich zu Ihnen komme, halten Sie mich für unschuldig. Und schicken mich weg.«
    Der Pfarrer legt seine Hände wieder auf die Tasten. »Es ist besser für dich, wenn man dir nicht zu viel Aufmerksamkeit schenkt.«
    »Das brauche ich Ihrer Meinung nach?«
    »Ich habe nicht vor, mir weitere Geschichten von Schuld und Verdammnis anzuhören.«
    Der Pfarrer drückt seine Hände wieder auf die Tasten.
    Sie weicht zurück. Hat Mühe, die Stufen von der Empore hinabzukommen, das Kirchenschiff zu durchqueren, hat Mühe mit der großen Tür. Draußen schafft sie noch zwei Schritte. Kippt dann gegen die großen, grauen Steinquader. Schlägt sich eine Hand ins Gesicht und weint.

    Das zweite Bild ist ganz anders. Es stellt eine Szene halb unter Wasser dar. Ein Mädchen, ein Krokodil, ein Mann. Das Krokodil hat das Mädchen gepackt, und zwar am Kopf. Das Krokodil versucht, das Mädchen ins Wasser zu ziehen. An den Füßen des Mädchens zerrt ein Mann. Er will das Mädchen retten. Die Szene ist nicht lustig, aber ein bisschen Humor ist doch im Spiel. Das Mädchen ist nämlich schon ziemlich in die Länge gezogen. Das Bild ist anspruchsvoller als das mit dem Delfin und der Giraffe.
    Die Darstellung der Figuren unter Wasser. Es ist, als hätte Geneviève alles durch einen Schleier gesehen, oder durch einen Nebel. Die Konturen der Figuren lösen sich auf, obwohl sie gleichzeitig viel realistischer gemalt sind als die auf dem ersten Bild. Noch etwas ist besonders an dieser Unterwasserszene. Die Arme des Mädchens. Sie sind nämlich um den Hals des Krokodils geschlungen. Als würde es sich an ihm festhalten. Müsste sie sich nicht abstoßen?Versuchen, dem Mann zu helfen, indem sie sich aus dem Maul des Krokodils herausdrückt?

    Der Fahrstuhl öffnet sich, und der Raum, den sie betreten, ist ein Musterbeispiel klarer Architektur. Ein Kubus von drei mal drei mal drei Metern. Die Fugen der Fußleistensteine

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