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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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verkaufe Ersatzteile. Bringt ganz gut Geld.«
    Der König und Roland Colbert sitzen an einem stinknormalen Tisch in einer nicht stinknormalen Küche. Der Raum ist viel zu groß für eine Küche. Außerdem stehen in normalen Küchen keine ausgebauten Kurbelwellen rum.
    »Für manche hier bin ich so was wie eine Mischung aus Pirat und Mutterersatz. Schätze, das ist es.«
    »Und warum machen Sie das? Als ich jung war, kannte ich auch einen Schrotthändler. Der hat uns verjagt.«
    »Die arbeiten hier. Bauen Motoren aus, sortieren Ersatzteile. Bereiten die Karosserien zur Lackierung vor. Dafür können sie hier sein. Umsonst nix geben hier. So Gesetz.«
    Der König lacht, Roland Colbert nimmt an, dass er über sich selbst lacht, über seine gewürzte Ausdrucksweise.
    »Im Krankenhaus sagte man mir, dass Sie manchmal welche dort hinbringen.«
    »Wenn jemand ins Krankenhaus muss. Ja, dann fahr ich sie manchmal.«
    »Und das ist alles?«
    »Ich weiß schon, worauf Sie rauswollen, Herr Kommissar. Aber es ist alles viel einfacher, als Sie glauben. Das sieht hier vielleicht ein bisschen nach Kommune aus … Und vielleicht mögen Sie so was nicht. Aber ich baue nur alte Autos auf, und die helfen mir. Das ist alles. Voilà!«
    »Die Mädchen schrauben Autos auseinander?«
    »Mädchen sollen zum Friseur gehen und sich schön machen, meinen Sie das?«
    »Normale Schrotthändler haben nichts mit Krankenhäusern zu tun.«
    »Jungen und Mädchen. In der Pubertät. Muss ich noch deutlicher werden?«
    »Die Mädchen schlafen hier mit Jungen.«
    »Ja, und ich zwinge sie dazu und kassiere Geld. Weshalb sind Sie hier?«
    »Sie haben meine Frage noch nicht beantwortet.«
    »Man muss Ihnen alles ganz genau stecken, oder? Sehen Sie es doch einfach als Abenteuerspielplatz. Und ich bin hier der Schrottguru. Also hat es sich so eingebürgert, dass die Mädchen auch mal mit mir reden, die Jungs tun das seltener. Bei den Jungs ist das einfach, da sag ich, dass sie sich Kondome besorgen sollen. Den Mädchen sage ich, dass sie ins Krankenhaus gehen sollen.«
    »Und Professor Galinski verschreibt ihnen dann die Pille.«
    »Dafür sind Ärzte da, oder?«
    »Und wenn ein Mädchen schwanger wird?«
    »Dann bringe ich sie um und verscharre sie da draußen in den Trichtern.«
    Der König findet auch diese Bemerkung komisch, was zur Folge hat, dass er sie noch einmal wiederholt und bei der Wiederholung noch heftiger hustet. Wobei das Husten selbstverständlich ein Lachen ist. Da er alleine lachhustet, mildert sich seine Freude schließlich zu einem gutmütigen Blick. Da auch der nicht erwidert wird, verschwindet das Gutmütige. Der Kommissar wartet, bis das Gesicht des Königs sich von allen Verzerrungen befreit hat, und betrachtet es dann. Der König versteht. Nach einer Weile herrscht also Einverständnis, was die Grimassen angeht.
    Roland Colbert kennt sich ganz gut aus mit Gesichtern. Dieses Gesicht gehört einem Mann, den man nicht unterschätzen sollte. Es sind am Ende immer die Augen … Und diese Augen lohnen einen längeren Blick. Als das Schweigen lästig wird, lässt sich der König zu einer Interpretation der Wirklichkeit herab. Humor ist da nicht angebracht. Die Stimme klingt härter und direkter als vorher.
    »Ich kenne Sie nicht, Herr Kommissar. Ich weiß nicht, wie Sie ticken. Wir leben hier in einer katholischen Gegend. Sind Sie katholisch?«
    »Ja.«
    »Glauben Sie an Gott?«
    »Was hat das mit den Mädchen zu tun?«
    »Sie glauben daran, dass man Menschen keine Gewalt antun soll, ja?«
    »Normalerweise stelle ich die Fragen.«
    »Fleurville hinkt zwanzig Jahre hinter der Zeit her. Aber es gibt das Internet. Fernsehen. Die wissen, wie es woanders aussieht. Also wollen sie auch das wilde Leben. Kann man das verstehen? Ich meine doch, ja. Und wenn ein Mädchen dann schwanger wird, soll ich die dann denen überlassen? Der Kirche? Haben Sie mal mit dem Pfarrer von Fleurville zu tun gehabt?«
    Roland Colbert schüttelt den Kopf.
    »Der kommt sich vor wie Gott selbst. Der verpasst ihneneine religiöse Gehirnwäsche. Soll ich das zulassen? Nein. Muss jedes Kind geboren werden? Nein. Es hat schon einen Grund, dass sie zu mir kommen und nicht zu ihren Eltern. Außerdem passiert das auch nicht sehr oft, dass mal eine schwanger wird.«
    »Aber wenn …«
    »Ich rede mit ihr, und wenn sie sagt, dass sie kein Kind haben will, fahre ich sie zu Professor Galinski. Und der redet sicher auch noch mal mit ihr.«
    »Sie bringen schwangere Mädchen in ein

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