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Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern

Titel: Schneeschwestern - Wittekindt, M: Schneeschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Wittekindt
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niemand. Er hält sich ein Taschentuch vors Gesicht, geht in den Flur. Alles ist voll Rauch. Er findet Walter Heimann im Bett, kriegt ihn nicht wach. Roland Colbert läuft zurück ins Wohnzimmer, stellt einen Stuhl vors Fenster. Auf dem Weg zurück ins Schlafzimmer beißt der Rauch so in den Augen, dass er kaum noch was sieht. Er schultert Heimann, trägt ihn ins Wohnzimmer und klettert mit ihm auf die Brüstung des Fensters. Dann springt er. Als er auf dem Boden aufkommt, knicken seine Beine weg, und er spürt einen stechenden Schmerz am Fußgelenk. Er ignoriert das und zerrt Heimann weg vom Haus. Als er ihn auf dem Rasen ablegt, hört er, wie jemand ruft.
    »Den hätten Sie drinlassen können!«
    Die Menge murmelt Zustimmung. Roland Colbert hat nicht gesehen, wer gerufen hat. Ohayon hat es gesehen.
    »Der! Das kam von ihm!«
    Roland Colbert geht zu dem Mann und erklärt ihm, dass er vorläufig festgenommen ist. Als er den Mann grob am Arm packt, um ihn abzuführen, wird die Menge unruhig. Einige Männer und Frauen rücken näher.
    Das Mädchen auf Ohayons Arm hat aufgehört zu weinen und guckt den Sergeanten mit offenem Mund an. Ohayon mit einem Kind auf dem Arm. Etwas Undenkbares. Obwohl so viel Wichtiges passiert, prägt sich das Bild Roland Colbert ein. Heimann kommt zu sich.
    Dann ist die Feuerwehr endlich da. Immer mehr Schaulustige. Das Haus steht in Flammen. Zwanzig Meter hoch, schätzt Roland Colbert. Im Haus platzen Gegenstände. Ein Gedanke. Unmittelbar. Der Kommissar fragt Heimann.
    »Kochen Sie mit Gas?«
    Heimann nickt.
    »Gasflaschen.«
    Roland Colbert brüllt Richtung Haus, die Feuerwehrmänner ziehen sich zurück. Das Haus explodiert. Eine Leere im Schock. Der Kommissar reißt seinen Kopf herum, sieht etwas, das nicht zur Explosion passt. Ohayon mit dem Kind auf dem Arm. Dann erfolgt eine zweite Explosion. Noch größer als die erste.

Vierter Tag – Dienstag
    Es ist so still wie in einem toten Backofen. Und es ist kalt. Die Landschaft ist endlos, und genau wie Ohayon gesagt hatte, wächst hier nichts.
    Der Hügel. Der einsame weiße Hügel mitten in der Landschaft. Dafür sind hunderttausend Menschen gestorben. Dafür! Ein Schrottplatz. Auf dem Hügel sind schon Einzelheiten zu erkennen. Ein Schrottplatz im Todesgürtel.
    Seit vierzig Minuten geht Roland Colbert jetzt durch den Schnee auf den Hügel zu. Bis über die Knie sinkt er ein. Gefährlich ist der Marsch über das ehemalige Schlachtfeld trotzdem nicht. Man kann die Krater als leichte Mulden gut im Schnee erkennen und umgehen. Dafür spürt Roland Colbert seinen Fuß. Seit er bei seinem Sprung aus dem Fenster umgeknickt ist, ist da ein feiner, stechender Schmerz im Gelenk.
    Als Roland Colbert den Hügel zur Hälfte erklommen hat, sieht er die Autos. Eine ganze Reihe großer alter Wagen steht da. Fünf Minuten später steht Roland Colbert vor dem König.
    So ungefähr hab ich mir Gott vorgestellt. Nur nicht unter einer Palme aus Blech.
    Es ist ein Thron. Ein Thron aus Schrott mit einer Palme aus Stahl, aus der blaue Flammen züngeln. Der Mann, der unter der Palme thront, hat eine speckige Lederhose an. Sein Oberkörper ist fast nackt, die Haare gehen bis weit über die Schultern.
    Der Wirt hatte recht. Der ist so fett, den würde jeder wiedererkennen.
    Es gibt noch mehr zu sehen als einen König auf seinem Thron. Jugendliche in sonderbarer Verkleidung. Blumenkinder im Schnee. Roland Colbert betrachtet das Haus, auf dessen Veranda der König seinen Thron aufgestellt hat. Pippi Langstrumpf ist ziemlich fett geworden. Rechts im Hintergrund stehen Schuppen. Die Türen sind weit auf, im Inneren Lager mit Schlafsäcken. Dann spricht der König.
    »Schätze, du brauchst einen Cognac. Komm rein.«
    Nach diesem Satz ist der König weg. Seine Würde, der Thron, der Hofstaat aus Blumenkindern, das alles hat sich nach diesem einen Satz aufgelöst. Der König ist nichts anderes als ein dicker Mann, Anfang fünfzig, bekleidet mit einer speckigen Hose.
    Ein fetter, alter Biker!
    Doch da täuscht sich der Kommissar. Der König ist der König. Er hat sich seinen Titel auch nicht selbst gegeben, wie Roland Colbert meint. Auf die Idee, ihn König zu nennen, ist vor Jahren ein fünfzehnjähriges Mädchen gekommen. Seitdem nennen sie ihn so.

    »Und warum nennt man Sie König?«
    »Weiß nicht. Wie junge Leute eben so sind. Vielleicht erinnere ich sie an wen aus dem Kino. Ich bin kein König.«
    »Und was sind Sie?«
    »Ich schraub an alten Autos rum und

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