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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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bestimmen.«
    Und nicht meines, fügte sie hinzu.

41
    Klein-Roda
    D er Tag begann mit Pauken und Trompeten. Erst kam der Bäckerwagen mit penetrantem Gehupe vorgefahren. Dann bimmelte die Glocke des Schrottsammlers durchs Dorf. Die Spatzen krakeelten, einer der Hunde heulte, und Gottfrieds Altsteirer Hahn krähte triumphierend. Und schließlich spielte sich vor Willis Schweinestall das übliche Spektakel ab, wenn arme Schweine, verständlicherweise unwillig, dem Metzger zugeführt werden sollten. Bremer nahm das alles hin wie gewohnt und ließ sich bei der Zeitungslektüre nicht stören. Die Luft roch nach Sommer. Die Katzen räkelten sich neben ihm in der Morgensonne. Wenn er nicht aufpaßte, war er fast wieder glücklich.
    Dann hielt ein Auto mit quietschenden Pneus. Nach einer Weile knallte die Gartentür auf. Jens, dachte Bremer und ließ die Zeitung sinken.
    Der Postbote sah mürrisch aus und brabbelte vor sich hin, als er den Gartenweg entlangstapfte, in der Hand einen dicken großen Briefumschlag. Und eine Postkarte.
    »Was ist los?« fragte Bremer. Jens sah ihn an. Für einen Moment glaubte er Wut und Verzweiflung in den blassen Augen zu sehen, dann knallten Briefumschlag und Postkarte auf den Gartentisch und Jens hatte sich grußlos umgedreht. Wieder quietschten die Reifen, als er davonfuhr.
    Bremer nahm Annes Postkarte zur Kenntnis. Seine gute Laune war weg. Jens’ Verhalten bestätigte die Vermutung, daß sich Harrys Verdacht längst herumgesprochen hatte – auch bis zum Postboten, der immer in Windeseile zu wissen schien, was in und um Klein-Roda vor sich ging. Damit ist ab jetzt also zu rechnen, dachte er. Aber solange Jens ihm die Post noch vorbeibrachte und nicht gleich wegwarf, wollte er nicht klagen.
    »Hallo, Herr Nachbar!« Gottfried stand am Gartentor, Franz an der Seite und einen Eierkarton in der Hand. Birdie plusterte sich vorsichtshalber auf, sie glaubte nicht an die friedlichen Absichten von Hunden, selbst wenn sie so jovial und gutmütig daherkamen wie Gottfrieds guterzogener Jagdhund.
    Bremer ging hinüber zum Gartentor und nahm die Eier mit verlegener Rührung entgegen. »Willst du mich überreden, hierzubleiben?«
    Gottfrieds Gesicht verfinsterte sich. »Wieso? Willst du weg?«
    Nicht eigentlich. Nicht wirklich, dachte Bremer. Aber er zuckte bloß die Schultern. Gottfried sollte ruhig weitererzählen, daß das Dorf bald einen Bewohner weniger haben würde. Ich werde das Haus an einen Städter mit Streitlust und Rechtsschutzversicherung verkaufen, dachte er rachsüchtig. An einen Querulanten, der bei jedem Hahnenschrei und jedem Hundegebell zum Anwalt läuft. An eine Aussiedlerfamilie mit zehn schwierigen Kindern. An eine Rockband. An…
    »Paul!« Gottfried schüttelte den Kopf. Dann murmelte er etwas von schlechten Erfahrungen und vergangenen Katastrophen, und Bremer dachte plötzlich, mit einem von schlechtem Gewissen begleiteten und deshalb um so köstlicheren Gefühl der Erleichterung: Was geht mich das an.
    Als er zum Gartentisch zurückkehrte, lag dort noch immer der dicke Briefumschlag. Fast hätte er ihn aufgerissen, als er sah, daß die Sendung an Krista Regler adressiert war. Wurde das zur lieben Angewohnheit, daß Jens die Post für Krista bei ihm ablud? Hatte Jens nicht vor kurzem noch für Krista geschwärmt? Oder war das ein sanfter Hinweis auf das angebliche Verhältnis zwischen ihm und ihr und war der Kerl einfach – eifersüchtig? Bremer sah ohne die übliche Freude zu, wie Nemax und Birdie sich zärtlich balgten, und ging mit dem Briefumschlag die Straße hoch zu Krista.
    Sie war nicht zu Hause. Er legte den Umschlag vor ihre Haustür und ging zurück. Schon am Gartentor hörte er das Telefon klingeln. Als ob er sich von dem Anruf die Rettung des Tages oder wenigstens seiner Stimmung erhoffte, beschleunigte sich sein Schritt.
    Es war Karen.
    Er mußte eine Viertelstunde lang auf sie eingeredet haben, jedes Detail seines Unglücks geschildert, jede finstere Vermutung geäußert, kurz: alles bei ihr abgeladen haben, als er endlich ihr leises Lachen wahrnahm.
    »Mach dir nichts vor – aus dir wird kein Städter mehr«, sagte sie, als er endlich eine Pause einlegte.
    »Aber ich bin da, wenn du mal Asyl brauchst.«
    Sie klang so heiter. Verliebt ganz offenbar. Ihm stieß ihr Glück sauer auf. War das Eifersucht? Oder Neid?
    »Hörst du mir überhaupt zu?« In ihre Heiterkeit mischte sich Ungeduld.
    Nein, dachte er.
    Sie wiederholte ihre Frage. »Läßt sich Krista Regler

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