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Schneesterben

Schneesterben

Titel: Schneesterben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Chaplet
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mit ins Bett und las noch ein paar Seiten aus dem neuen Roman von Elizabeth George. Morgen würde er sich an keinen Satz mehr erinnern, aber das war ja das Schöne an einem anständigen Rausch: die Bücher hielten länger vor.
    Er schlief unruhig. Der Brand im Schuppen und der Stein in Kristas Wohnzimmerfenster – im Traum erkannte er das Gesicht des Täters. Es war… Er wachte auf. Sein Herz klopfte viel zu schnell und er schwitzte. Es war nicht Harry. Seit gestern traute er dem Mann zwar alles mögliche Hinterhältige zu – aber weder die praktische Phantasie noch die kriminelle Energie, die es brauchte, um einen Molotowcocktail zu basteln und auch noch vor Ort zu bringen. Harry war ein Schwätzer, kein Macher. Und außerdem: Marianne wäre es unter Garantie aufgefallen, wenn sich Harry in Bremers Garten herumgetrieben hätte.
    Und wenn sie mit ihm unter einer Decke steckte? Wenn sie alle miteinander unter einer Decke steckten? Er krümmte sich unter dem viel zu warmen Federbett.
    Marianne. Sie war seinem Blick ausgewichen gestern. War sie eifersüchtig auf Krista? Oder hatte er sich Illusionen gemacht, war es Einbildung gewesen, daß sie befreundet waren, seit damals, seit dem Tag, an dem er unglücklich und sehnsüchtig das abbruchreife Haus bezogen hatte, das heute seine Heimat war?
    Sofern ich für so etwas wie Heimat überhaupt tauge, dachte er.
    Verkauf deine Bruchbude, sagte ihm der Verstand. Zieh wieder nach Frankfurt. Dort gibt es auch Nachbarn. Und – Karen. Ihr Anruf fiel ihm wieder ein, den die Ankunft der Katzen unterbrochen hatte. Morgen, dachte er, bevor er wieder wegdämmerte.
    Stunden später erwachte er, leidlich ausgeschlafen, von einem sanften Schnurren. Nemax und Birdie hatten sich in seine Armbeuge geschmiegt.
    Als er die Zeitung aus dem Briefkasten holte, wieherte über ihm ein Star, der auf der Fernsehantenne saß und sich offenbar auf die Geräusche einer Pferdekoppel spezialisiert hatte. Sein Kollege neben ihm knarzte und knödelte gemütlich. Nur die Mauersegler schrillten mit Volldampf über den Hof. Er hatte gar nicht bemerkt, daß sie längst wieder da waren.
    Es schien endlich Sommer werden zu wollen, die Luft war lau und streichelte ihm die Stirn.
    »Paul?« Über ihm ging ein Fenster auf. Er winkte zu Marianne hoch und ging ins Haus.

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    Frankfurt
    E r schlief wie eine Katze – auf der Seite, zusammengerollt, die Hand vor die Augen gelegt, mit leichten, ruhigen Atemzügen. Karen drehte die Nachttischlampe so, daß sie nicht blendete, und setzte sich auf. Sie war lange nicht mehr so ruhig gewesen. Oder nannte man das »in sich ruhen«? Egal, dachte sie. Wenn sich Glück so anfühlt, ist mir wurscht, wie man es nennt.
    Glück. Darum jedenfalls schien es sich zu handeln. Ein empfindliches, durchscheinendes, federleichtes Glück, das bei jedem etwas schärferen Windstoß davonfliegen konnte. Aber – Glück. Und vielleicht würde es ihnen ja mit vereinten Kräften gelingen, es wieder einzufangen im Falle des Falles.
    Karen schälte sich vorsichtig aus dem Bett und ging auf bloßen Füßen in die Küche. Mit einem Glas Wasser kam sie zurück. Er rührte sich nicht, als sie zurück unter die Decke schlüpfte.
    Der Abend hatte keineswegs so angefangen, wie er endete. Das Restaurant, auf dem sie bestanden hatte, entpuppte sich als glatte Enttäuschung. Der Service war langsam und unfreundlich, und das Essen stand in keinem Verhältnis zur Rechnung, auf die Gunter eine Weile ratlos starrte, bevor er gegen ihren Protest seine Kreditkarte auf den Teller legte.
    »Du bist das nächste Mal dran.«
    »Aber nur, wenn es eine gute Pizzeria ist!« Karen hatte gespürt, wie ihr das Lächeln verrutschte.
    Schließlich waren sie zu ihr gefahren und hatten stundenlang in der Küche gesessen. Und geredet. Wie bei einem ersten Mal.
    »Natürlich habe ich mich blöd benommen.« Er hatte das gänzlich ohne Koketterie gesagt, ohne auf ihren Widerspruch zu hoffen.
    »Du hast dich aufgeführt wie der hinterletzte Depp«, murmelte sie und legte ihm die Hand auf den Arm mit den Sommersprossen und den feinen blonden Härchen.
    Aber irgendwann verstand sie. Nicht gleich. Sicher nicht, als er sagte, er habe Angst vor ihr gehabt. Angst vor einer Frau, nur weil sie ihren Beruf halbwegs anständig ausübt und nicht wie die zarte Unschuld in Konfektionsgröße 34 aussieht? Er mußte ihre Enttäuschung gespürt haben. Sie sah ihn vor sich, wie er spöttisch den Mund verzog und »Nicht, was du denkst!« sagte. Sie

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