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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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bin.«
    »Okay. Machen wir ein Wettrennen runter nach La Chamade.« Und damit sauste sie auch schon den Hang hinunter.
     
    Zoe stand am Eingang des Bergrestaurants, hatte die Skier schon abgeschnallt und hielt sie in der Hand, während sie auf ihn wartete. »Lahme Ente.«
    »Ich weiß echt nicht, wie du das schaffst.«
    Auf dem Ständer vor dem Blockhüttenhaus warteten einige eisverkrustete und schneebedeckte verwaiste Skier. Sie stellten ihre eigenen Skier daneben und gingen hinein. In der Küche brannte Licht, im Speiseraum allerdings nicht. La Chamade wartete mit einem großen gemauerten offenen Kamin auf, und gleich daneben stand ein Korb Feuerholz bereit. Jake machte sich auf die Suche nach Kienspänen und Streichhölzern und entfachte dann schnell ein Feuer. Das Kiefernholz knackte und zischte, als die Flammen daran leckten.
    Er schnüffelte am Rauch. »Riechst du das Kiefernholz?«
    »Ja. Aber vielleicht erinnere ich mich auch bloß daran, jetzt, wo du es sagst.«
    »Erinnerst du dich noch daran, wie es war, aus der Kälte und dem Schnee hereinzukommen, wenn einem womöglich schon Finger und Zehen von der Kälte brannten, und man sich vors Feuer setzt und die Wangen fangen an zu glühen? Wie schön es immer war, langsam wieder aufzutauen und wenn einem das warme Blut wieder durch die Adern strömte?«
    Sie rückte ganz dicht an ihn heran und lehnte den Kopf an seine Schulter. »Ja, das weiß ich noch. Ich kann es richtig spüren.«
    »So ist das, stimmt’s? Wir erinnern uns daran, und dann spüren wir es. Du beschreibst mir ein Gefühl, und dann fühle ich es. Aber erst dann. Vorher nicht.«
    Zoe fing an zu weinen. »Wo sind wir? Was ist hier los?«
    »Komm her. Nicht weinen. Das weiß ich auch nicht. Ich weiß nur eins: Ganz allein hier zu sein, das alles allein durchzumachen, das wäre die Hölle. Aber mit dir zusammen stehe ich es durch.«
    Sie umarmte ihn und schaute ihn an. »Ich bin nicht unglücklich. Ich bin durcheinander und habe eine Heidenangst.«
    »Aber verstehst du das, Zoe? Wir müssen einander erinnern. Dieses Leben, was auch immer es sein mag, wird lebendig, indem wir es füreinander ausmalen.«
    »Ich glaube, das verstehe ich.«
    Er ging zur Bar, suchte eine Flasche Rotwein und zog den Korken heraus. Dann kam er mit der Flasche und zwei Gläsern zurück und schenkte ihnen ein. »Probier mal.« Währenddessen studierte er das Etikett. »Das ist ein Albert Bichot Gevrey-Chambertin les Corvées 2004 Burgunder, was mir mal gerade gar nichts sagt, weshalb ich auch nicht weiß, ob er gut oder schlecht ist, ob der uns das letzte Hemd kosten würde oder ein fieser Billigfusel ist. Du stehst allein auf weiter Flur. Sag mir, was du von ihm hältst.«
    Zunächst steckte sie die Nase in das Glas wie ein echter Weinkenner. Dann probierte sie ihn, hielt den Wein einen Moment auf der Zunge und im Mund, damit er sämtliche Geschmacksknospen erreichte. Sie dachte an Zucker und Säure und Tannine, dann an Frucht und Gewürze und Erdigkeit. Dann schluckte sie und überlegte, ob sie wirklich noch ein Schlückchen trinken wollte oder nicht.
    Erwartungsvoll schaute er sie aus blutunterlaufenen Augen an.
    »Soll ich ganz ehrlich sein? Er schmeckt nach nichts. Neutral.«
    »Genau. Wie alles andere hier auch. Aber was, wenn ich dich daran erinnere, wie köstlich Rotwein schmeckt. Dass er vielleicht das Aroma von, sagen wir, Kirschen hat, aber ein bisschen würziger. Dass er ein wenig holzig schmeckt, nach Eiche, und dass er ein wahres Geschmacksfeuerwerk auf deinem Gaumen entfaltet, mit süßen und sauren Noten, trocken und süffig zugleich. Und auch nach dem Schlucken schmeckst du ihn noch auf der Zunge, ganz leicht, aber mit einem angenehmen Nachgeschmack.«
    »Jetzt schmecke ich das alles plötzlich!«
    »Und beschwört er nicht das Bild einer roten Kardinalsrobe herauf und des lodernden Höllenschlunds?«
    »Jetzt redest du Blödsinn. Obwohl, wo du es gerade erwähnst …«
    »Sünde und Erlösung?«
    »Honig und Feuer?«
    »Du musst mir noch ein Glas einschenken. Schmeckt er jetzt immer noch nach nichts?«
    »Nein – er schmeckt nach allem, was du beschrieben hast, wirklich. Wirklich, ehrlich wahr. Findest du das nicht auch ziemlich seltsam?«
    »Hier ist doch alles seltsam.«
    »Nein, ich meine, dass die Sachen erst nach etwas schmecken, wenn wir darüber geredet haben. Ich hatte ja gar keine Ahnung, dass du so viel von Wein verstehst.«
    »Tue ich auch nicht. Das habe ich mir alles aus den Fingern gesaugt.

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