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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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Jake ein wenig abzulenken, schlug sie vor, zum Abendessen in ein neues Restaurant zu gehen. Ihnen war ein wunderschöner, schicker und sehr geschmackvoller Laden aufgefallen, der ulkigerweise den etwas albernen Namen La Table de mon Grand-Père trug.
    Die beiden entschieden sich für Großvaters Lieblingstisch gleich am Fenster und zündeten Kerzen an. Zoe bezog Stellung in der Küche und bereitete ein Boeuf Bourguignon zu, bei dessen Anblick der eigentliche Küchenchef vermutlich einen Schlaganfall erlitten hätte; aber es war eins von Jakes Lieblingsgerichten, und das servierte sie ihm mit buttrigem Kartoffelpüree.
    Jake wartete, Messer und Gabel schon erwartungsvoll im Anschlag, obwohl er standhaft behauptete, überhaupt keinen Hunger zu haben. Er wollte ihr eine Freude machen mit seiner Begeisterung – und das wusste sie auch. Sie stellte die Teller auf den Tisch und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Für dich zu kochen hat mir immer Spaß gemacht«, meinte sie. »Dir Essen zu machen. Die Sachen zu schnibbeln. Alles zuzubereiten.«
    »In allem, was du kochst, steckt viel Liebe. Das schmeckt man.«
    »Schmeckst du das immer noch? Auch hier?«
    »Ich würde es schmecken, wenn sie fehlen würde.«
    »Du hast aber einen ganz schönen Zug drauf, was, junger Mann?«
    Es stimmte. Er hatte eine Flasche des teuersten Tropfens entkorkt, den er hier hatte finden können, und die Flasche auch ohne Zoes Hilfe beinahe geleert.
    »Ich will mich betrinken. Aber es klappt nicht.«
    »Warum willst du dich betrinken?«
    »Neulich Abend, als wir Champagner getrunken haben und du im Aufzug über mich hergefallen bist – warst du da wirklich betrunken? Oder hast du bloß so getan? Denn egal wie viel ich trinke, ich werde hier einfach nicht betrunken.«
    Sie nippte ihrerseits am Wein. »Ich weiß noch, dass ich dachte, ich sollte doch eigentlich betrunken sein, und dann war ich es auch. Oder vielleicht wollte ich mir auch bloß einreden, ich sei betrunken. Darf ich dich noch mal fragen, warum du dich unbedingt betrinken willst?«
    »Weil ich die Regeln hier einfach nicht begreife! Ich will wissen, was hier gespielt wird. Es kommt mir vor, als würde mir immer wieder der Boden unter den Füßen weggerissen. Und das macht mir Angst, viel mehr, als ich sagen kann.« Und damit goss er sich den Rest der Flasche ein.
    Das brennende Holzscheit im Kamin von La Chamade hatte sie ihm gegenüber noch mit keinem Wort erwähnt. »Es liegt eine Veränderung in der Luft.«
    »Ja. Das habe ich auch schon gemerkt.«
    Sie aßen schweigend. Zoe wollte ihn schon fragen, ob er denn sein Boeuf Bourguignon schmecken könne, ließ es aber dann doch lieber bleiben. Stattdessen fragte sie ihn, ob sie ihm schildern solle, wie es sich anfühlte, betrunken zu sein, damit er es auch spürte; worauf er entgegnete, er wolle ausprobieren, ob er das nicht auch ohne ihre Hilfe hinbekam. Er stand vom Tisch auf und kam kurz darauf mit einer weiteren Flasche zurück. Worauf sie beschloss, ihm in der tiefen Einsamkeit seines verzweifelten Trinkgelages Gesellschaft zu leisten.
    Draußen ließ der Dreiviertelmond sein wächsernes Licht auf den tiefen Schnee scheinen. Immer wieder schaute Jake nach, ob irgendwas von Sadie zu sehen war. Die Kiefern warfen lange schlanke Schatten auf das Restaurant, und dort, wo kein Schatten war, glitzerte das Mondlicht mit mitleidloser Schönheit auf der harschen Schneekruste.
    »Ich glaube nicht, dass Sadie weggelaufen ist. Ich glaube, sie wurde uns weggenommen.«
    »Was?«
    »Das glaube ich.«
    Zoe schaute ihn lange und durchdringend an. Sie kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht glaubte, ein irrer Hundefreund habe Sadie gekidnappt. Aber alle anderen möglichen Erklärungsmodelle, die ihr in den Sinn kamen, gefielen ihr noch weniger. »Sieh’s doch mal so. Statt zu denken, dass sie uns weggenommen wurde, könnte man es auch so sehen, dass sie uns zurückgegeben wurde – wenn auch nur für kurze Zeit.«
    Er beugte sich zu ihr hinüber und schob seine Finger in ihre. »Du siehst immer alles so positiv. Oder beschließt, es so zu sehen.«
    »Aber so ist doch das Leben, oder? Wir wissen, dass der Tod unaufhaltsam näher kommt. Und doch sehen wir es immer so, dass unsere Liebsten uns genommen werden, statt dass sie uns für die Zeit, die wir gemeinsam haben, geschenkt werden.«
    »Du hast recht. Aber das macht es nicht leichter. Es ist so verdammt schwer. Es ist viel leichter, sich in eine Ecke zu verkriechen und sich

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