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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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Zweifel.«
    »Und der Hund?«
    »Genau dasselbe.«
    Er schob seine Ski zwischen ihre und nahm sie in den Arm. »Komm schon. Wenn wir diese Piste überqueren, kommen wir nach La Chamade. Da könnten wir was trinken oder so.«
    »Was trinken, das nach nichts schmeckt.«
    »Dann erinnere ich mich für dich daran.«
    La Chamade sah fast genauso aus, wie sie es verlassen hatten. Die Wand zur Piste hin war zersplittert, und der Schnee türmte sich bis zum Dach. Der Haupteingang war verschüttet, also gingen sie durch die Hintertür hinein. Der Boden war mit Trümmern und Glassplittern übersäht. Mit seinen schweren Skistiefeln räumte Jake den Weg frei und ging zur Feuerstelle.
    Das Feuer war heruntergebrannt. Es bestand fast nur noch aus weicher grauer Asche, doch tief unten glühte es noch.
    »Es ist noch warm. Nach der langen Zeit ist es immer noch warm.«
    Er kniete sich vor die Glut in der Feuerstelle und blies vorsichtig darauf. Dann entdeckte er ein paar Streifen Rinde, die er zum Anfachen der Glut benutzte, indem er sie drauflegte und wieder blies. Kleine Flammen leckten an den Kanten der Rinde, die Feuer fing. Er legte Stöckchen hinein, und es dauerte nicht lange, da brannte wieder ein munteres Feuer.
    »Na ja, wenigstens etwas«, meinte er und betrachtete zufrieden sein Werk.
    »Was?«
    »Das bedeutet, dass die Zeit vergeht, aber in einem anderen Tempo als … unsere Zeit.«
    »Die Zeit verrinnt.«
    Diesmal tranken sie Wodka, weil Jake meinte, der schmecke ohnehin nach nichts. Er war wortkarg und mürrisch. Zoe vermutete, das Hundegebell müsse ihn wieder traurig gemacht haben. Er kippte den Wodka weg, als sei es Wasser. Sie bat ihn, nicht so viel zu trinken, aber er meinte bloß, er werde ohnehin nicht betrunken, was allem Anschein nach auch stimmte, und das Zeug habe bei ihm überhaupt keine Wirkung.
    Urplötzlich schauderte er. Er schaute sie an, und das Licht, das von draußen durchs Fenster fiel, schien in seine blutunterlaufenen Augen, die einen Moment lang aussahen wie wasserblaue Edelsteine. »Oh, das ist gerade das erste Mal«, meinte er, »dass ich die Kälte spüre.«
    Sie wünschte, das hätte er nicht gesagt. »Komm. Machen wir uns auf den Nachhauseweg. Ich glaube, der Wind frischt auf. Vielleicht hast du den gespürt.«
    »Vielleicht.«
    Sie zog die Handschuhe an und ging über das zerbrochene Glas auf dem Boden zur Rückseite des Restaurants. Doch er folgte ihr nicht. Als sie sich umdrehte, sah sie, dass er Cognac über die Holzplatte der Theke goss. »Was machst du da?«
    »Ein Experiment.«
    Womit er vier weitere Flaschen hochprozentiger Spirituosen öffnete und den gesamten Bereich hinter der Bar damit tränkte. Fasziniert sah sie zu, wie er dann zum Feuer ging und ein an einer Seite brennendes Scheit herausangelte. Das lodernde Holzscheit warf er dann schwungvoll auf die Theke, und sofort entzündete sich der Alkohol. Beinahe gemächlich wanderten die Flammen die Theke entlang, bis sie auf größere Alkoholpfützen stießen. Innerhalb weniger Augenblicke stand die gesamte Bar in Flammen, und ein veritabler Brand loderte hinter der Theke.
    »Verschwinden wir.«
    Aus fünfzig Metern Entfernung beobachteten sie, wie die Flammen das Holzhaus verschlangen. Dichter schwarzer Rauch quoll aus dem Dach.
    »Hat dein Experiment irgendwas bewiesen?«, fragte sie auf die Skistöcke gestützt und schaute dem aufsteigenden Rauch nach. Der Wind, der peitschend von Osten her blies, fachte die Flammen herrlich an. Schwarzer Rauch kräuselte sich in der Luft, tanzte über dem Dach wie ein Flaschengeist, den man aus seiner Öllampe befreit hatte oder aus dem Gefängnis einer makellos weißen Landschaft.
    »Ja.«
    »Bleiben wir jetzt hier stehen und schauen zu, wie es abbrennt?«
    »Nicht nötig. Wir können jetzt wieder zum Hotel zurückgehen.«
    »Meinst du, im Tod werden wir beide ein bisschen verrückt?«
    »Ja.«
    »Geh vor«, meinte sie. »Ich folge dir.«
    Wieder im Hotel angekommen war bereits die Vorhut des schlechten Wetters eingerückt, das nun rasch heraufzog: ein starker, schneidender Wind, der die Fahnen an den Masten vor dem Hotel knattern ließ. Er wirbelte über die Straße und pustete losen Schnee zu Wehen zusammen. Eine kleine Diskussion entbrannte zwischen Zoe und Jake, ob sie die Skilifte, die sie in Betrieb genommen hatten, vielleicht lieber wieder ausschalten sollten. Jake meinte, das sei vollkommen überflüssig. Zoe meinte, der Wind könne sie beschädigen, und wenn das der Fall wäre,

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