Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
Vom Netzwerk:
Kopfteil des Bettes ab und ritt ihn. Heftig und wütend stieß sie immer wieder auf ihn nieder, mit einer Verzweiflung, als könne es das allerletzte Mal sein. Immer wieder knallte das Bett gegen die Wand, während sie ihr Becken vor und zurück schob, und sie hörte auch nicht auf, als sie spürte, wie er in ihr ejakulierte und zitterte, als sein Orgasmus ihn ganz erfasste. Sie machte weiter, trieb sich vorwärts, rammte das Kopfteil des Betts gegen die Wand, bis sie spürte, wie die Wand selbst anfing, unter ihren Fingerspitzen zu zerbröckeln, zu Staub zerfiel, sich auflöste, bis es nicht mehr der zu Pulver zermahlene Putz war, sondern Pulverschnee, eiskalt an ihren Fingerspitzen, und die ganze Wand in sich zusammenbrach und nur ein wirbelndes, klaffendes Loch hinterließ, aus dem ein Männerarm auftauchte und sie am Genick packte, sie mit eisigem Griff am Hals fasste, ihr den Atem abschnürte, an ihr zog, versuchte, sie von Jake wegzuzerren, sie strangulierte, bis sie laut aufkreischte, nicht vor Lust, sondern vor Entsetzen.
    Jake setzte sich auf. »Was ist los? Was ist los?«
    Der ausgestreckte Arm ließ sie los, und die Schneepfütze, das wirbelnde weiße Loch in der Wand, schloss sich wieder, wurde wieder zum weißen Putz der Schlafzimmerwand.
    Und dann hielt Jake ihr Gesicht in seinen großen Händen und suchte in ihren Augen nach einer Erklärung.
    Sie schaute ihn an; sie schaute zur Wand. »Ich sehe Sachen, Jake. Ich sehe Sachen.«
    »Was für Sachen?«
    »Albtraumhafte Sachen.«
    »Erzähl mir davon.«
    Doch sie schüttelte nur den Kopf. Sie hatte den Arm erkannt, der da durch die Wand gekommen war. Sie hatte den Ring am Mittelfinger erkannt, und die kleine Narbe auf dem Rücken der Hand, ehe die angefangen hatte, sie zu würgen.
    Eine Weile lagen sie zusammen, und er strich ihr über das Haar. Doch auch mit geschlossenen Augen spürte er ihre Unruhe, und schließlich sagte er beruhigend: »Schlaf, mein Liebes, schlaf jetzt.«
    »Nein. Ich kann nicht. Ich muss mit dir reden.«
    »Den Satz mochte ich noch nie.«
    »Ich habe das Gefühl, das ist vielleicht die letzte Gelegenheit, einen Dorn aus meinem Fleisch zu ziehen. Es ist wegen Simon.«
    »Ja. Unser Trauzeuge. Ich weiß Bescheid.«
    Sie schaute ihn an, blinzelte. »Ja. Ich hab immer befürchtet, dass du es weißt.«
    »Können wir es gut sein lassen?«
    »Das war damals nicht leicht für mich. Du hast mich völlig links liegen gelassen. Womit ich nicht sagen will, es sei deine Schuld. Ich sage bloß, es hatte nichts zu bedeuten, es war ein Fehler, eine Dummheit. Mehr nicht. Ich hab immer gewusst, dass du es weißt. Ich wollte es bloß loswerden.«
    »Geht’s dir jetzt besser?«
    »Ein bisschen.«
    »Na ja, erwarte bloß nicht, dass es mir jetzt besser geht. Du hast dir den Stachel aus dem Fleisch gezogen und ihn mir in die Seite gerammt. Und es tut weh.«
    »Es tut mir leid, Jake. Es tut mir leid.«
    »Nicht weinen. Es ist nicht wichtig. Wenn die Ehe irgendeinen Sinn hat, dann doch wohl den, dass ich deine Stachel ertrage und du meine.«
    Zusammen lagen sie im dunklen Zimmer. Es war hell genug vom Licht der Straßenlaternen, das vom Schnee reflektiert durch das Fenster hereinfiel. Kein Wort wurde mehr gesagt.
     
    Nach einer Weile wurde Jakes Atem tief und ruhig. Er war eingeschlafen. Auch Zoe schlief ein, wachte aber kurz darauf vom Klang läutender Glöckchen draußen vor der Tür wieder auf.
    Glöckchen, wie sie Zugtiere am Geschirr trugen, die man als Touristenattraktion vor den Schlitten spannte. Zoe warf einen Blick auf den friedlich schlummernden Jake und schwang die Beine aus dem Bett. Das Klingeln der Glöckchen war verstummt. Sie trat ans Fenster.
    Seit sie auf die andere Seite des Flurs gezogen waren, schauten sie vom Fenster auf die Straße vor dem Hotel. Und dort war nun die massige Gestalt eines muskulösen, gewaltigen schwarzen Shire-Pferdes zu sehen, das vor einen großen Schlitten gespannt war. Es war ein Hengst mit schmalen Flanken, rabenschwarz und glänzend vor frischem Schweiß. Der Atem stieg ihm in der kalten Luft aus den Nüstern wie der Qualm einer alten Dampflok am Bahnsteig. Die Hufe des Tieres waren prächtig behangen, und auf dem Kopf hatte es einen leuchtend roten Federbusch, der im Mondlicht schimmerte wie vergossenes Blut. Das Pferd kaute auf seiner silbernen Trense, stand aber sonst vollkommen still, als wartete es.
    Beim Anblick des Tieres schnappte Zoe nach Luft. Sie trat einen Schritt zurück und streckte

Weitere Kostenlose Bücher