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Schneestille

Schneestille

Titel: Schneestille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Graham Joyce
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herum.
    Und dann klingelte ihr Handy.
    Das Geräusch riss sie aus ihrem Entsetzen und stürzte sie unvermittelt in neues Grauen. Der muntere Klingelton kam aus der Innentasche ihrer Skijacke. Sofort zuckte ihre behandschuhte Hand an die Jacke und fummelte am Reißverschluss herum, aber die dick gepolsterten Finger der Handschuhe waren zu ungeschickt, um den Reißverschluss zu öffnen. Sie bekam Angst, das Handy nicht schnell genug aus der Tasche zu bekommen, ehe der Anrufer auflegte.
    Panisch ließ sie den Skistock fallen und riss sich den Handschuh von der rechten Hand, während der Klingelton immer lauter in ihrer Jacke dudelte. Ungelenk fingerte sie am Reißverschluss herum und griff dann in ihre Tasche, wo ihre Finger sich endlich um die kalten Metallrundungen des Handys schlossen. Hastig klappte sie es auf und drückte sich das Telefon ans Ohr.
    »Hallo? Hallo? Wer ist da?«
    Dieselbe Stimme wie beim letzten Mal drang aus dem Hörer. Eine schroffe Männerstimme, die eine Sprache oder einen Akzent sprach, die sie nicht verstand. Die Verbindung war nicht besonders gut. Die Stimme klang gedämpft und weit weg, und der Mann schien immer wieder denselben Satz zu sagen.
    »Ich kann Sie nicht hören! Bitte! Je ne comprends pas!«
    Wieder kläffte die Stimme ihr eine Anweisung oder einen Satz entgegen.
    »Encore! Noch mal, bitte! O Gott! Bitte! Wer sind Sie?«
    Wieder sagte die Stimme etwas. Er schien die Worte la zone, la zone zu wiederholen. Doch es war unmöglich, genau zu verstehen, was er sagte. Genauso gut hätte er von der erdabgewandten Seite des Mondes anrufen können.
    Die Verbindung brach ab.
    La zone. Oder hatte er gesagt la Zoe ? Nein, nein. Es klang mehr nach la zone . Das könnte er gesagt haben. Womöglich. Die Zone. Aber was sollte das bedeuten?
    Zoe drehte sich um und richtete die Skier zum Hang aus. Innerhalb von Sekunden raste sie fast senkrecht mehrere Hundert Meter hinunter. Jake wartete schon auf sie.
    »Ski gut«, meinte er, als sie mit einem eleganten Schwung neben ihm zum Stehen kam.
    Sie schaute ihn an. Seine Augen waren hinter der riesigen Sonnenbrille verborgen, in deren blauem Glas sich der gleißend helle Fixstern spiegelte. Sie fragte sich, wie viel sie preisgeben sollte.
    »Geht’s dir gut?«
    »Das Handy hat wieder geklingelt.«
    »Was?«
    »Dieselbe Stimme. Dieselben unverständlichen Worte.«
    »Dir geht’s nicht gut. Du hast dir das nicht …«
    »Nein, ich habe mir das nicht bloß eingebildet. Warum klingelt es immer nur, wenn du nicht da bist? Ich gebe dir jetzt mein Handy. Das nächste Mal kannst du rangehen.«
    »Nein, behalte es. Ich hab mein eigenes.«
    »Ich dachte, er hat la zone gesagt. Die Zone. Aber ich könnte mich auch irren. Ich weiß es nicht. Es war so undeutlich und weit weg.«
    »Die Zone.«
    »Vielleicht.«
    »Komm. Es reicht. Machen wir Schluss für heute.«
     
    An diesem Abend hatten sie keinen Appetit. Jake inspizierte Gemüse und Fleisch auf der Platte in der Küche und berichtete, nun wurden sie endgültig schlecht. Die Selleriestückchen wurden braun. Auf den klein geschnibbelten Kartoffeln bildete sich eine graue Patina. Aber es ging noch immer alles sehr langsam.
    Sie gingen raus in eine Bar. Dort entdeckten sie eine CD mit Songs der Kinks und tranken schweren fruchtigen dunklen Malbec; aber sie hatten keine Lust, sich daran zu erinnern, wie er schmeckte oder wie es sich anfühlte, betrunken zu sein. Selbst die Musik, die sie sonst so mochten, machte ihnen keine Freude, als müssten sie sich auch an sie erinnern. Schnell ging ihnen der Gesprächsstoff aus, weshalb sie früh auf ihr Zimmer zurückgingen und duschten.
    Zoe sah Jakes Erektion, als sie sich gerade abtrocknete. Sie sprach ihn darauf an.
    »Komisch. Hier habe ich die ganze Zeit einen Ständer.«
    »Die ganze Zeit?«
    »Ja. Na ja, wenn wir miteinander geschlafen haben, gibt es sich kurz, aber nicht lange.«
    »Sag doch was.«
    »Liebling, ich kann doch nicht die ganze Zeit in dir sein. Das würdest du nicht wollen.«
    Mit hochgezogenen Augenbrauen schaute sie ihn an.
    Ihr Sexleben hatte sich schon vor langer Zeit eingependelt. Nie hatte sie sich ihm, wie manch andere Frauen, verweigert, um ihren Kopf durchzusetzen. Aber sie war ihm auch nicht immer zu Willen. Immer war sie es gewesen, die die Häufigkeit bestimmte. Sex war nie rationiert; aber er war auch nicht frei verfügbar. Er nahm sie gerne von hinten; sie mochte das nicht so sehr. Er machte es gerne draußen; sie konnte sich Schöneres

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