Schneetreiben
heruntergezogenen Mundwinkeln betrachtete er den Schlamm,
der an seinen Lackschuhen haftete, fluchte leise und wischte die Schuhe am
nassen Gras ab.
Hambrock begrüßte ihn. »Bist du schon lange hier?«
»Gerade erst gekommen.« Widerwillig wandte er den Blick von seinen
Schuhen ab. »Die Tote liegt dort vorn im Graben.«
»Wer hat sie gefunden?«
»Margit Burtrup. Sie ist auf ihrem Hof.« Er deutete zu einem
Gebäudekomplex am Straßenrand: eine Scheune und zwei Mastställe, deren
windschiefe Mauern sich von der lärmenden Straße wegduckten. Das Wohnhaus lag
in einigem Abstand dahinter, als sollten die restlichen Gebäude eine Wehr
bilden.
»Der Hofhund hat die Tote gewittert und sein Frauchen hierher
geführt«, sagte Gratczek. »Die Frau steht noch unter Schock, ein Beamter ist
bei ihr. Er hat einen Arzt gerufen, damit sie ein Beruhigungsmittel bekommt. Er
müsste jeden Moment eintreffen.«
»Was können wir zu der Toten sagen?«, fragte Hambrock.
»Nicht viel. Sieht nach Fremdeinwirken aus. Der Notarzt hat ihren
Tod festgestellt, aber weiter ist noch nichts angerührt worden. Alle warten auf
dich.«
Hambrock nickte. Bevor er näher trat, machte er einen Schritt zurück
und überblickte den Fundort. Er dachte an die vermisst gemeldete Studentin, die
mit dem Bus nach Birkenkotten fahren wollte. Zwischen Haltestelle und
Leichenfundort lagen keine zwanzig Meter.
Durch die Regengüsse war der Asphalt völlig reingewaschen. Hier
würden nicht viele Spuren zu finden sein. Er betrachtete die Grasbüschel am
Rand des Grabens, doch auf den ersten Blick wirkten sie völlig unversehrt.
Langsam näherte er sich dem Leichenfundort. Am Uferrand hockte der
Rechtsmediziner mit seinem Notfallkoffer, über ihm stand die Polizeifotografin,
die mit professionell distanziertem Gesichtsausdruck Fotos schoss. Dann rückte
die Tote in sein Blickfeld. Das Meiste von ihr lag unter einem weiten Mantel
verborgen, der an der Oberfläche trieb.
»Kann ich?«, erkundigte sich der Rechtsmediziner.
Hambrock blickte auf. »Wie bitte?«
»Kann ich sie umdrehen?«, erklärte er.
»Ach so.« Er sah zur Fotografin, die ihm mit einem Nicken bedeutete,
alles im Kasten zu haben. »Natürlich. Drehen Sie sie um.«
Der Mediziner hatte sich Plastikhandschuhe übergezogen. Er fasste
ins kalte Wasser, packte die Tote an der Schulter und zog sie mit einer
einzigen gezielten Bewegung aus dem Wasser. Sie landete mit dem Rücken auf den
Grasbüscheln, der Mantel schlug auf und gab ihren Körper frei.
Sie war fast nackt. Die Hose war bis auf die Knöchel
heruntergerissen, das zerrissene Sweatshirt klebte im Mantel.
Hambrock betrachtete sie genauer. Ihr Gesicht war aufgedunsen und
bläulich verfärbt. Die Augen waren weit aufgerissen und starrten ins Nichts.
Geplatzte Äderchen gaben ihnen ein gespenstisches Aussehen.
Der Hals war voll dunkler, fleckiger Würgemale. Rumpf und Beine
waren blass, im Gegensatz zum Gesicht wirkten sie beinahe unnatürlich weiß.
Durch den Wasserdruck hatten sich die Totenflecken unregelmäßig gebildet,
bräunliche Sprenkel auf einem geschundenen Körper.
Er versuchte, nur ein Mordopfer zu sehen und nicht den Menschen
dahinter. Es war kein einfaches Unterfangen, auch nach all den Dienstjahren
nicht.
»Herr Hambrock!« Einer der Spurentechniker hatte seinen Mundschutz
heruntergezogen. »Sehen Sie sich das einmal an!«
Er hielt einen flachen Gegenstand in die Luft, überblickte dann den
aufgeweichten Boden um sich herum und trat mit wenigen überlegten Schritten auf
den Kommissar zu. Es war ein Portemonnaie, das er in der Hand hielt. Ein
kleines ledernes Damenportemonnaie, dessen bordeauxrote Farbe unter dem Schlamm
kaum noch zu erkennen war.
»Jemand muss es auf den Acker geworfen haben«, sagte er.
»Ist etwas darin, das uns ihre Identität verrät?«
Der Beamte durchsuchte die Fächer und zog schließlich mit spitzen
Fingern einen Ausweis hervor.
»Sandra Hahnenkamp«, las er. Dann verglich er das Bild auf dem
Ausweis mit der Toten auf dem Gras. »Offenbar ist sie es.«
»Verdammt.«
Der Kollege blickte in die restlichen Fächer.
»Geld ist keines mehr da«, sagte er. »Auch keine Bankkarte.«
Hambrock wandte sich an Guido Gratczek. »Wir müssen uns mit der
Mutter in Verbindung setzen. Sie muss die Leiche identifizieren.«
»Natürlich.«
Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, hätte sich Gratczek lieber
im Armani-Anzug auf dem Acker gewälzt, als diesen Job zu übernehmen. Doch er
sagte
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