Schneetreiben
lief ihrer Tochter hinterher. Hambrock blieb
allein in der Küche zurück. Er sackte auf dem Stuhl zusammen.
»Wann denn?«, fragte er in den leeren Raum hinein.
Natürlich erhielt er keine Antwort.
Dorothea Probst stakste über den aufgeweichten Bolzplatz.
Vor ihr lag das Vereinshaus des Fußballclubs Schwarz-Weiß Birkenkotten, ein
schlichter, eingeschossiger Flachdachbau. Sie fragte sich, warum sie nicht viel
eher auf die Idee gekommen war. Das Vereinshaus war das ideale Versteck. Zwar
fanden dort regelmäßig Veranstaltungen statt, doch nur an den Wochenenden.
Während der Woche wurden die Räume lediglich am Dienstagabend benutzt, wenn die
Spieler nach dem Training zusammensaßen und Bier tranken.
Martin hatte ihr einmal erzählt, wo der Schlüssel versteckt lag: auf
einer Strebe über der Eingangstür. Sie tastete den schmalen Vorsprung ab, und
tatsächlich, er war noch da. Sie öffnete die Tür und betrat vorsichtig das
Gebäude.
Die Räume hatten sich kaum verändert, seit sie vor Jahren das letzte
Mal dort gewesen war. Es gab einen großen Gruppenraum mit wuchtigen Tischen,
stapelbaren Stühlen und einem Kamin sowie eine kleine Küche und den Dusch- und
Umkleideraum für die Spieler. Ein leicht modriger Geruch lag in der Luft. Die
Räume waren seit Tagen nicht gelüftet worden.
Sie blickte sich um. Es gab keinerlei Anzeichen dafür, dass jemand
Fremdes hier gewesen war. Das Vereinshaus wurde ausschließlich vom Fußballclub
benutzt. Da der Bolzplatz am Rande der Bauernschaft lag und nur ein paar
verstreute Höfe in der Nähe waren, würde Martin hier völlig ungestört sein.
Zufrieden ging sie hinaus, schloss sorgfältig die Tür und legte den
Schlüssel zurück auf die Strebe.
Sie würde wiederkommen.
5
Guido Gratczek erreichte das Polizeipräsidium um kurz vor
siebzehn Uhr. Er machte sich gleich auf den Weg zum Büro von Bernhard Hambrock,
schließlich hatte er einige Neuigkeiten im Gepäck. Doch sein Chef war nicht
dort, die Tür war verschlossen.
Christian Möller, einer der Spurenbeamten, tauchte im Flur auf,
grüßte knapp und blickte wieder in die Unterlagen, die er vor sich her trug.
»Wo ist denn der Chef?«, fragte Gratczek.
Möller blickte auf. »Im Außeneinsatz, schätze ich.«
»Was denn für ein Außeneinsatz?«
Es war eher unüblich, dass der Kommissionsleiter selbst hinausfuhr
und Zeugen befragte. Die Ermittlungsarbeiten machten für gewöhnlich seine
Untergebenen, während er vom Präsidium aus die Fallarbeit koordinierte.
»Keine Ahnung. Er hat den Dienstwagen genommen. Mehr weiß ich auch
nicht. Frag doch die Sekretärin, die wird es wissen«, meinte Möller und
verschwand auf dem Flur.
Gratczek blickte auf die Uhr. Er würde seine Neuigkeiten vorerst für
sich behalten müssen: Er hatte einen Termin mit Roland Strieder, dem Busfahrer,
der in der vergangenen Nacht nach Birkenkotten gefahren war und nun auf seinem
Weg zur Arbeit kurz im Präsidium vorbeischauen wollte.
Gratczek ging in sein Büro und ließ den Computer hochfahren, da
klopfte es bereits an der Tür, und ein blasser, unsympathisch wirkender
Mittdreißiger in einem schlecht sitzenden Anzug betrat das Zimmer.
»Sie sind Herr Gratczek, nehme ich an? Sie wollten mich sprechen?«
Gratczek reichte Roland Strieder die Hand.
»Danke, dass Sie sich die Mühe gemacht haben, vorbeizukommen.«
»Ach was, kein Problem!« Er setzte sich ohne Aufforderung. »Wenn ich
zu meiner Schicht zu den Stadtwerken fahre, muss ich ohnehin über den
Stadtring. Es macht keinen Unterschied, ob ich hier kurz anhalte oder nicht.«
»Wann beginnt denn Ihre Schicht?« Gratczek setzte sich ebenfalls.
»Um siebzehn Uhr dreißig. Wir haben also gut zwanzig Minuten Zeit.
Ich hoffe, das genügt?«
»Ich denke, schon.« Zu allem Überfluss hatte der Mann auch noch
Mundgeruch. Gern wäre Gratczek ein Stück abgerückt, doch er wollte nicht
unhöflich sein. Stattdessen blickte er in seine Unterlagen, wo er sich die
Abfahrtzeiten notiert hatte.
»Ist es richtig, dass Sie gestern den letzten Bus der Linie R88 von Münster nach Stadtlohn
gefahren haben, der laut Fahrplan um 22 Uhr 35 am
Hauptbahnhof abfährt?«
»Nicht nur laut Fahrplan. Ich war gestern pünktlich auf die Minute.«
»Wie viele Fahrgäste hatten Sie in etwa?«
»Nicht sehr viele. Um diese Zeit ist der Bus so gut wie leer. In
Münster sind vielleicht ein knappes Dutzend eingestiegen, und unterwegs sind
noch mal fünf bis sechs dazugekommen.«
Gratczek reichte ihm ein Foto
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