Schneetreiben
befreundet
waren. Es dürfte kaum mehr gegeben haben als Gespräche auf dem Pausenhof.
Trotzdem können wir davon ausgehen, dass sie das einzige Mädchen war, mit dem
Martin Probst damals näheren Kontakt hatte.«
»Gibt es Hinweise darauf, dass er versucht hat, sich ihr sexuell zu
nähern?«, fragte Hambrock.
»Bislang nicht.«
»Und haben die beiden Kontakt aufgenommen, nachdem Probst seine
Jugendstrafe abgesessen hatte?«
»Sandras Vater zufolge nicht. Aber vielleicht erfahre ich da mehr von
ihrer Mitbewohnerin in Münster. Eltern wissen ja nicht immer alles über ihre
Kinder.«
»Also gut, warten wir ab. Es muss einen Grund für den Streit am
Telefon gegeben haben. Ich habe das Gefühl, wenn wir diesen Grund kennen, dann
kennen wir auch das Motiv für die Tat.«
»Wenn es überhaupt ein Motiv gibt«, gab eine Kollegin zu bedenken.
»Es könnte auch einfach ein gewaltsamer sexueller Übergriff gewesen sein. Ohne
ein Motiv auf der Beziehungsebene.«
»Das glaube ich nicht«, sagte Gratczek. »Schließlich wurde das Opfer
nicht nur vergewaltigt, sondern auch ermordet.«
»Es könnte eine Affekttat gewesen sein. Vielleicht hatte Probst gar
nicht geplant, sie zu erwürgen.«
Möller zog eine Folie aus seinen Unterlagen und ging zum
Tageslichtprojektor.
»Wir haben noch den Fußabdruck vom Tatort«, sagte er und schaltete
das Gerät ein. »Er stammt von einem Gummistiefel der Größe vierundvierzig.« Er
legte die Folie auf, und an der Wand erschien ein übergroßer Sohlenabdruck.
»Kann man da über den Hersteller weiterkommen?«, fragte Hambrock.
»Kannst du vergessen. Das ist Massenproduktion, diese Stiefel gibt
es überall.« Er deutete auf die Ferse des Abdrucks. »Viel interessanter sind
diese Beschädigungen an der Sohle. Der Träger hat kleine Steinchen eingetreten,
und diese Abdrücke ergeben ein Muster. Ein ziemlich auffälliges Muster sogar.«
»Wie der Große Wagen«, sagte Hambrock.
»Stimmt, es fehlt allerdings einer der Sterne, dort im Kasten des
Wagens.«
»Wir müssen also ganz einfach nach jemandem suchen, der den Großen
Wagen unter der Sohle trägt, oder?«
»Richtig. Das Problem dabei ist jedoch, dass die Individualität
dieser Sohle von geringer Dauer ist. Durch das Tragen des Stiefels wird das
Sohlenbild schnell verändert. Wenn wir den Stiefel finden wollen, müssen wir
uns beeilen.«
»Also gut.« Hambrock schob seine Unterlagen zusammen. »Das mit dem
Sohlenabdruck sollten wir unbedingt geheim halten. Es soll sich keinesfalls in
Birkenkotten herumsprechen, dass wir ein Stiefelpaar suchen. Dem Träger der
Gummistiefel würde das nur die Gelegenheit geben, sie verschwinden zu lassen.«
Gratczek dachte bereits weiter. »Vielleicht sollten wir einmal bei
Dorothea Probst unauffällig in die Waschküche blicken. Eine Gelegenheit dazu
findet sich bestimmt, wenn wir ihr einen Besuch abstatten.«
»Das ist mir auch schon durch den Kopf gegangen«, sagte Hambrock.
»Ihr müsst aber vorsichtig sein. Sie darf keinen Verdacht schöpfen. Wenn sie
uns vor die Tür setzt, dürfte es ihr nicht schwerfallen, die Gummistiefel
beiseite zu schaffen.«
Es war eine vage Hoffnung. Doch wenn tatsächlich diese Stiefel bei
Dorothea Probst gefunden würden, dann wäre das auch der Beweis dafür, dass sie
ganz genau wusste, wo sich ihr Adoptivsohn aufhielt.
Am Nachmittag hieß es plötzlich, Martin Probst wäre
gefasst worden. Hambrock saß gerade im Büro von Heike Holthausen und sprach mit
ihr über den Mordfall, als ein Kollege hereinplatzte.
»Eine Streife in Borghorst hat einen Typen aufgegriffen, auf den
Probsts Beschreibung passt!«
Hambrock und Heike ließen sofort alles stehen und liegen und setzten
sich in einen Dienstwagen. Doch kaum hatten sie den Stadtring verlassen,
meldete sich ein zerknirschter Dienststellenleiter, der ihnen sagte, dass alles
ein Irrtum sei.
»Die Kollegen waren ein bisschen übereifrig«, erklärte er kleinlaut.
»Sie haben sich einen Jungbauern geschnappt, der eines seiner Felder abgelaufen
ist. Leider hat es keiner für nötig gehalten, seine Erklärungen vor Ort zu
überprüfen. Das haben wir dann hier gemacht.«
Nach dieser Fehlmeldung beruhigten sich die Gemüter in der
Ermittlungsgruppe nur langsam. Als Hambrock wieder allein in seinem Büro saß,
zückte er sein Notizheft und suchte Ingeborg Merschkötters Telefonnummer
heraus. Er hatte den ganzen Tag schon bei ihr anrufen wollen, doch bislang war
immer etwas dazwischengekommen.
»Ist bei euch alles in
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