Schneetreiben
Ordnung?«, fragte er sie. »Ich habe gehört,
dass ihr gestern Nacht die Kollegen alarmiert habt.«
»Ach das.« Sie lachte. »Das war nichts. Unsere Nerven liegen wohl
ein wenig blank, fürchte ich. Da waren ein paar Jugendliche aus der
Nachbarschaft im Garten und haben uns zu Tode erschreckt. Offenbar wollten sie
vor dem Haus Wache halten und aufpassen, dass Martin nicht reinkommt.«
»Diese Dinge sollten sie besser der Polizei überlassen.«
»Das haben die Streifenpolizisten ihnen auch gesagt. Ach, was
soll’s, es sind ja nur junge Leute. Sie meinen es gut.«
»Wie geht es Klara?«
»Ganz gut, glaube ich. Im Moment ist ihre Freundin Lina bei ihr. Die
beiden sind unzertrennlich. Ich bin wirklich froh, dass es dieses Mädchen gibt.
Habt ihr Martin inzwischen gefasst?«
»Leider nicht.« Plötzlich schämte er sich für das Versagen der
Polizei. Er hätte ihr gerne etwas anderes gesagt. »Ich fahre heute Abend nach
Birkenkotten. Wenn du möchtest, schaue ich kurz bei euch vorbei.«
»Das wäre toll. Klara wird es bestimmt guttun zu sehen, dass sich
der Hauptkommissar persönlich für ihr Wohlbefinden interessiert. Aber du kommst
doch nicht etwa nur wegen uns, oder?«
»Nein, nein«, log Hambrock. »Ich fahre ohnehin raus, wegen einer
anderen Sache.«
»Also gut. Dann bis später.«
Hambrock verabschiedete sich und legte auf. Er hatte die Hand noch
am Hörer, als es erneut klingelte. Zunächst dachte er an eine Rückkopplung,
aber dann sah er auf dem Display, dass Guido Gratczek in der Leitung war.
»Hallo, Hambrock. Ich habe mich gerade im Haus von Dorothea Probst
umgesehen.«
»Und? Hast du was gefunden?«
»Ich habe tatsächlich ein Paar Gummistiefel entdeckt, in ihrer
Waschküche. Allerdings in Größe achtunddreißig. Ansonsten Fehlanzeige.«
Auf dem Weg von ihrer Arbeit nach Hause schaute Erlend im
Präsidium vorbei. Hambrock hörte ihre laute Stimme über den Flur schallen.
»Hey, Kojak! Wo ist denn der Captain?«
Am liebsten hätte er aufgestöhnt, doch er wusste, dass seine
Kollegen ihre Art hinreißend fanden.
»In seinem Büro. Du kennst den Weg ja.«
Kurz darauf stand sie in der offenen Tür. In ihrem schwarzen
Ledermantel sah sie umwerfend aus. Sie lehnte sich in den Rahmen.
»Ich wollte mal hören, ob ich heute Abend mehr Glück habe.« Sie sah
ihm an, dass ihre Hoffnung vergebens war. »Ach, Bernhard, es ist doch immer das
Gleiche.«
Er gab sich zerknirscht. »Ich wollte heute für dich kochen,
richtig?«
»Wenigstens kannst du dich daran erinnern.«
»Wir holen das nach, versprochen. Aber heute geht es wirklich nicht.
Ich muss mich in Birkenkotten sehen lassen. Da herrscht ziemliche Aufregung,
und wir machen leider keine besonders gute Figur.«
»Ja, ja, ja.« Sie verschränkte gelangweilt die Arme.
Er ging auf sie zu und fasste sie an den Schultern.
»Ich weiß, dass ich eine Zumutung bin«, sagte er und lächelte
versöhnlich. »Aber du wolltest ja unbedingt einen Bullen heiraten, oder? Einen,
der mit Schmauchspuren an den Händen nach Hause kommt. Einen richtigen Mann
eben.«
Er hatte es geschafft, sie lachte.
»Bild dir bloß nichts ein«, sagte sie.
»Wir holen es nach, okay?«
»Also gut.«
Heike Holthausen ging auf dem Flur vorüber, blieb stehen und
räusperte sich.
»Chef? Ich fahre jetzt nach Birkenkotten, okay?«
»Warte. Ich komme mit.«
Er verabschiedete sich von Erlend und lief Heike hinterher. Auf dem
Weg zum Fuhrpark sprachen sie nicht viel miteinander. Und auch im Auto
schwiegen sie die meiste Zeit. Hambrock hatte ein schlechtes Gewissen Erlend
gegenüber, weil er ihr einen Korb gegeben hatte und stattdessen zu Ingeborg
fuhr. Dabei ist das rein dienstlich, sagte er sich. Du betrügst niemanden.
Heike warf ihm einen Seitenblick zu und schaltete demonstrativ das
Radio ein.
»… müssen sich die
Autofahrer auf die ersten Rutschpartien einstellen. In der kommenden Nacht
erreicht uns Tief Thorsten mit Sturm und Schneefällen. Die Böen werden bis zu
hundert Stundenkilometer erreichen, im Bergland werden unwetterartige
Schneefälle mit fünfzehn Zentimetern Neuschnee erwartet. Die Skigebiete im
Sauerland bereiten sich auf die Eröffnung der Wintersaison vor. ›Bei uns ist
alles startbereit!‹, sagt eine Mitarbeiterin des Sauerland-Tourismus e.V. Im Flachland kann der Schnee jedoch im
Tagesverlauf in Regen übergehen, der dann bei Temperaturen um null Grad …«
Hambrock war klar, dass sein Schweigen unhöflich war. Er nahm sich
zusammen und sah
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