Schneetreiben
uraltes Telefon mit Wählscheibe, und das läuft auch ohne
Strom. Die Funktelefone sind ja alle ausgefallen, als es dunkel wurde.«
»Gibt es etwas Neues? Hast du irgendwas von Tilmann Feth gehört?«
»Nein, der ist wie vom Erdboden verschluckt. Er hat seinen Wagen
einfach hier stehen lassen und ist zu Fuß weiter. Er hat mir gesagt, dass er
nach Amsterdam zu einem Freund wollte, aber bei dem Wetter wird er nicht weit
gekommen sein.«
»Ist der Berg noch immer gesperrt?«
»Ja. Sie haben inzwischen Notunterkünfte im Ort eingerichtet. Ein
Feuerwehrmann ist gerade umhergegangen und hat gemeint, es wäre besser, dorthin
zu gehen. Bis gerade eben habe ich noch gedacht: So ein Quatsch, das geht
gleich weiter. Doch dann habe ich beobachtet, wie ein Feuerwehrauto den Berg
hinaufgefahren ist, um den Bus wegzuziehen. Kurz darauf kam ein Trecker, der
wiederum das Feuerwehrauto vom Berg heruntergezogen hat. Da ist mir klar geworden,
dass das heute wohl nichts mehr wird.«
»Du musst dort übernachten?« Gratczek dachte mit Unbehagen an die
Feldbetten einer Notunterkunft.
»Sieht ganz so aus. Ich könnte auch zu meiner Tante Hiltrud, die
unten im Ort lebt. Doch wenn ich es mir so recht überlege, schätze ich, dass
die Notunterkünfte schon ganz okay sind. Was ist denn mit den anderen? Hast du
etwas von Hambrock gehört?«
»Nicht, seit in Birkenkotten der Strom ausgefallen ist. Offenbar
haben die Kollegen vor Ort nicht solche alten Telefone, die auch ohne Strom
funktionieren. Und die Handynetze sind zusammengebrochen.«
»Das liegt am Stromausfall«, sagte Heike. »Die Senderelais
funktionieren nämlich mit Strom. Je nachdem, wo sie ausfallen, kann ein Netz
schon mal abschmieren. Was macht denn die Fahndung nach Probst?«
»Keine Ahnung. Die wird wohl vorerst zum Erliegen gekommen sein. Was
sollen die heute Nacht schon machen? Ich habe vor zwei Stunden mit einem der
Observationsbeamten gesprochen, die vor dem Haus von Dorothea Probst aufgestellt
waren. Ihr Auto war unter einem Schneeberg verschwunden, und die beiden Jungs
saßen in der Küche von Frau Probst, die ihnen Pfannkuchen gebacken hat.«
Heike lachte. »Na, das nenn ich mal konspirativ.«
»Wir können nichts machen, solange sich das Wetter nicht bessert. Es
ist ein komisches Gefühl, wenn du im Präsidium sitzt, mit Strom und Wärme,
während deine Leute irgendwo dort draußen abgeschnitten sind und keiner weiß,
was bei denen gerade passiert.«
»Nun, wir können es nicht ändern. Lass uns bis morgen warten, etwas
anderes fällt mir auch nicht ein. Hör zu, ich muss Schluss machen, hier wollen
noch andere telefonieren.«
»Hast du deine Familie bereits informiert?«
»Keine Sorge, schon passiert. Am besten gehst du jetzt nach Hause,
Guido. Wir sehen morgen weiter.«
Bevor Guido Gratczek nach Hause ging, wollte er noch etwas
erledigen. Er stieg in ein Taxi und ließ sich zum Hauptbahnhof fahren. Kurz vor
dem Bahnhofsgebäude bat er den Fahrer, am Sexshop zu halten. Der Mann zog eine
Augenbraue hoch, und Gratczek fühlte sich gedrängt zu sagen, dass die Diskothek
im ersten Stock sein eigentliches Ziel sei. Doch der Mann murmelte nur: »Ja,
ja, schon recht« und fuhr auf der matschigen Straße davon.
Gratczek stand im starken Schneefall auf dem Bürgersteig, zog die
Hosenbeine hoch und stakste zur rettenden Überdachung vor dem Sexshop. Dann
ging er über die Treppe zum ersten Stock und drückte die graffitibesprühte
Eingangstür der Diskothek auf. Hinter der Kasse stand ein bulliger Mann und
zählte Geldscheine. Er trug eine protzige Lederjacke, auf seinem Stiernacken
prangte eine Tätowierung.
Er blickte Gratczek abschätzig an.
»Wir haben noch geschlossen.«
»Mein Name ist Gratczek, ich bin von der Kriminalpolizei. Ich würde
gerne mit Tilmann Feth sprechen. Wenn ich richtig informiert bin, arbeitet der
heute Abend hier.«
»Tilmann hat sich krankgemeldet.«
»Wann hat er das getan?«
»Keine Ahnung.« Der Mann blickte ihn an, als wäre er eine lästige
Fliege, die einfach nicht davonschwirren wollte. »Sonst noch was?«
Gratczek schenkte ihm ein freundliches Lächeln.
»O ja, da wäre tatsächlich noch was. Eine gewisse Jana Tramp
arbeitet ebenfalls heute Abend hier, nicht wahr?«
Er legte das Geld in die Kasse. »Die hat zu tun.«
»Ach, das geht ganz schnell. Ich habe eigentlich nur eine winzig
kleine Frage, dann bin ich auch schon wieder weg.« Er deutete mit dem Finger
zur Durchgangstür. »Dort hinein, nicht wahr?«
Der bullige
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